"Da werde ich zum Hitler" Mängel bei der Bundeswehr
26.03.2009, 17:28 UhrDer Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe, hat den vierten Jahresbericht seiner Amtszeit vorgelegt. In der Zustandsbeschreibung der Bundeswehr werden Lob und Tadel sowie erhebliche Mängel deutlich. Auszüge aus dem Bericht:
Personal
Mit einer durchschnittlichen Gesamtstärke von 247.700 Soldaten und Soldatinnen haben die Streitkräfte im vergangenen Jahr die Zielgröße von 252.500 erneut unterschritten.
Unterbringung
Im afghanischen Masar-i-Scharif mussten sich jeweils drei Soldaten eine Unterkunft von etwa 13 Quadratmetern teilen, obwohl die Zimmer für nur zwei Soldaten vorgesehen waren. Probleme gab es auch im Feldlager Kundus, das auf 350 Soldaten ausgelegt war. Zeitweise waren aber 800 Soldaten im Lager. Daher wurden Soldaten bei Temperaturen von mehr als 35 Grad Celsius in nicht klimatisierten Zelten untergebracht.
Dienstaufsicht
Einige Vorgesetzte fielen durch unangemessenen Umgangston, überzogene Härte und fehlende Qualifizierung sowie Rücksichtslosigkeit auf. Ein Stabsunteroffizier forderte einen Rekruten auf, in eine Weinflasche zu pinkeln. Als dieser sich weigerte, urinierte er selbst in die Flasche, füllte sie mit Wein auf und gab sie einem ahnungslosen Rekruten. Ein Fahnenjunker beschimpfte einen Panzerschützen libanesischer Abstammung mit den Worten: "Mir platzt der Arsch. Da werde ich zum Hitler." Er sprach mehrfach weibliche Rekruten mit "Schatzi Eins" und "Schatzi Zwei" an und bezeichnete eine andere Rekrutin als "Vorzimmerschlampe".
Rechtsextremismus und Antisemitismus
Meistens handelt es sich um sogenannte Propagandadelikte wie Hakenkreuzschmierereien, den "Hitlergruß", "Sieg-Heil"-Rufe oder das Hören von rechtsextremer oder fremdenfeindlicher Musik.
Integration von Frauen
Manchen Soldaten fällt es schwer, sich im Berufsalltag auf Frauen einzustellen und diese als gleichberechtigt zu akzeptieren. So sagte ein Bataillonskommandeur in Anwesenheit einer Soldatin: "Das ist sehr gut, dann haben wir jemanden, der den Tisch abräumt" und "Frauen in der Bundeswehr haben viele körperliche Nachteile, aber der Unterschied ist schon schön anzusehen".
In der Bundeswehr leisteten 15.613 Frauen Dienst. Ihr Anteil an den Berufs- und Zeitsoldaten erhöhte sich von 7,61 Prozent im Vorjahr auf 8,25 Prozent. Der Frauenanteil im Sanitätsdienst lag bei 35,6 Prozent und im Truppendienst bei 4,45 Prozent.
Sexuelle Selbstbestimmung
Soldatinnen und Soldaten klagten über sexuelle Belästigung bis hin zu sexuellen Übergriffen. Das Verteidigungsministerium zählte 87 "Besondere Vorkommnisse", von denen 31 den Verdacht der Kinderpornografie betrafen.
Kontingente
Beim ISAF-Kontingent wurden Dienstposten nicht besetzt und Soldaten zeitweise zurückversetzt. Einige Soldaten wurden nach ihrer Ankunft im Einsatzland für einen mehrwöchigen Urlaub nach Deutschland zurückgeschickt. Bei anderen wurde der Einsatz zum Teil bereits nach einer Woche ganz beendet.
Sanitätsoffiziere
Weiterhin bewerben sich immer weniger Soldaten für eine Sanitätsoffizierslaufbahn. Die Bewerberzahl ging um 22 Prozent zurück. Bereits jetzt fehlen dem Sanitätsdienst rund 430 Offiziere. Der Frauenanteil ist hier besonders hoch. 41 Prozent der Oberstabsärzte und 62 Prozent der Stabsärzte waren Frauen.
Quelle: ntv.de