Dossier

Vor dem Treffen in Annapolis Medienmogul bietet Forum

Nachdem er den deutschen Medienmarkt durcheinander gerüttelt hat, widmet sich der amerikanisch-israelische Medienmogul Haim Saban jetzt der Politik. Das teuerste Hotel Jerusalems bot er als Plattform für ein Symposium an. Thema: der Nahe Osten und das von US-Präsident George W. Bush entworfene "Nahost-Friedenstreffen" in Annapolis. Wohl in der letzten November-Woche werde das Treffen stattfinden, so Martin Indyk, US-Botschafter und Chef des "Saban-Centers" im Brookingsinstitut.

Besuch im Schafstall

Die amerikanische Außenministerin Condoleezza Rice sprach bei einem feierlichen Abendessen über die Farm von Ariel Scharon. Dessen Schafstall hatte sie besucht, obgleich sie doch eher ein "City-Girl" sei. Rice machte den Anwesenden unmissverständlich klar, dass ein nahöstliches Friedensabkommen "noch vor Ende der Amtszeit von Präsident Bush" die Ziellinie sei. Wie schon sein gescheiterter Vorgänger Bill Clinton erhofft sich wohl Bush, sich ausgerechnet mit einem Nahost-Frieden einen Platz in den Geschichtsbüchern sichern zu können. Israels Premier Ehud Olmert positionierte sich im schwierigsten Streitpunkt zwischen Israelis und Palästinensern. "Zwei Staaten für zwei Völker" sagte er und schloss so ein "Rückkehrrecht" für palästinensische Flüchtlinge in den jüdischen Staat aus. Die Flüchtlinge sollten nach "Palästina" ziehen und nicht millionenfach mit ihren Nachkommen den jüdischen Charakter Israels zerstören. Die wahre Kernfrage scheint eine mangelnde arabische Bereitschaft zu sein, Israel als jüdischen Staat zu akzeptieren. Rice redete von einer "Garantie für die Sicherheit Israels".

Indyk ist optimistisch, dass "die arabischen Führer das verstanden haben, aber jetzt noch nicht aussprechen könnten". Die israelische Führung bereite ihre Bevölkerung schon auf "schmerzhafte Konzessionen" vor, während die palästinensische Führung weiterhin "unrealistische Vorstellungen" verbreite. Laut Indyk verbauen sich so Abbas und die Fatah ein notwendiges Einlenken.

"Gefühl der Dringlichkeit"

Bei einer Pressekonferenz mit Saban als Moderator neben Indyk, einem israelischen General und einer amerikanischen Sicherheitsexpertin, wurde ein "Gefühl der Dringlichkeit" als Motiv für die plötzliche politische Aktivität genannt. An dieser sind auch deutsche Minister wie Jung und Steinmeier mit einem EU-Aktionsplan und Besuchen in Jerusalem und Ramallah beteiligt. Eine Entschärfung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern sei Mittel zum Zweck, eine Koalition gegen Iran zu schaffen: USA, Israel, Palästinenser und gemäßigte arabische Regime. Syrien sollte an diesem Prozess beteiligt werden, "um Spannungen zwischen Syrien und Iran" zu erzeugen, so Indyk.

Störmanöver der Hamas könnten ausgeschlossen werden, da Hamas ohnehin an ein Scheitern von Annapolis glaube. "Deshalb will Hamas nicht zuschlagen, um nicht unnütz für das Scheitern verantwortlich gemacht zu werden."

Israels Präsident Schimon Peres sagte schon, dass ein Scheitern von Annapolis in einer "Katastrophe" enden würde, während andere über eine "Dritte Intifada" nach Annapolis spekulieren. Doch niemand hat so recht definiert, wie eigentlich ein "Erfolg" dieses "Treffens" aussehen könnte.

Verhandlungen mit der Stoppuhr

Die ungeduldigen Palästinenser um Präsident Mahmoud Abbas fordern verbindliche Zugeständnisse Israels und einen exakten Zeitplan bis zur Gründung ihres Staates - als könnten Verhandlungen mit der Stoppuhr geführt werden. Die langmütigen Israelis dämpfen Hoffnungen und reden von einem Neustart inhaltsreicher Verhandlungen nach Annapolis. Anstelle der ultimativen Forderung an die Palästinenser, die "Infrastruktur des Terrors" zu zerstören, wie es in der hoch gelobten und bis heute nicht abgehobenen "Road Map" steht, reicht jetzt offenbar wieder eine "Bemühung", diese Infrastruktur zu zerstören. Für den erkorenen palästinensischen Delegierten, Ahmed Kureija, würde eher ein israelischer Siedlungsstopp die Erlösung bringen. Die Amerikaner formulieren schon an einer "gemeinsamen" Erklärung, die sie in Annapolis einseitig den Israelis und Palästinensern aufzwingen wollen.

Es entsteht der Eindruck, als seien Olmert und Abbas "viel weiter", als angenommen. Die territorialen Fragen, eine Aufteilung Jerusalems und andere "Kernfragen", wofür im Hebräischen das gleiche Wort verwendet wird, wie für den Kern eines Atomreaktors, scheinen weitgehend gelöst zu sein. Vizepremier Chaim Ramon hat schon als Versuchsballon eine Übergabe arabischer Viertel Jerusalems an den palästinensischen Staat vorgeschlagen. Bei Israelis erntete er wenig Widerspruch. Empörung kam bei betroffenen Palästinensern auf. Sie bangen um ihre soziale Sicherheit und den Verlust ihrer Reisefreiheit im wirtschaftlich boomenden Israel.

Echter oder virtueller Partner?

Und während die hehren Ziele eines Friedens diskutiert werden, bleiben pragmatische Fragen offen. Olmert sieht in Abbas einen "echten Partner", weil er sich allen Bedingungen der Osloer Verträge verpflichtet fühle. Oppositionschef Benjamin Netanjahu sieht in Abbas eher einen "virtuellen Partner" ohne Macht und Durchsetzungsvermögen. Abbas hat sein halbes Land, den Gazastreifen, durch einen Putsch an die "von Iran finanzierte Hamas" verloren und hält im Westjordanland "nur noch dank der israelischen Razzien" die Macht. "Kann Abbas wirklich die Ware Recht und Ordnung liefern, sowie er einen Staat hat?" fragten die Journalisten. Die Teilnehmer des Saban-Forums hatte keine Antwort. General Amnon Lipkin-Schachak sagte dazu, dass 500 bewaffnete und frisch trainierte Polizisten jüngst mit Israels Segen in Nablus einziehen durften, um für "Recht und Ordnung" zu sorgen. "In Nablus gab es schon 2000 Polizisten. Wieso haben die bisher nichts getan?"

Quelle: ntv.de

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