Was war mit Kohl? Merkel in der Knesset
17.03.2008, 12:01 UhrAusländische Regierungschefs haben bisher noch nie eine Rede vor dem israelischen Parlament, der Knesset, gehalten. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird an diesem Dienstag die erste sein, der diese Ehre zuteil wird. So hat es jedenfalls die Bundesregierung immer wieder angekündigt. Aber stimmt dies? Denn in verschiedenen Darstellungen ist zu lesen, dass Merkels Vorgänger im Amt, Helmut Kohl, auch schon "vor" oder "in" der Knesset geredet habe - im Januar 1984. Es war jene später viel kritisierte Rede, in der Kohl für seine Generation von der "Gnade der späten Geburt" gesprochen hatte.
Es gehört zu den Kuriositäten des Regierungsgeschäfts, dass im Kanzleramt des Jahres 2008 keine exakten Aufzeichnungen über den genauen Ort der Rede zu finden waren. Das historische Gedächtnis ist nur begrenzt. Es begann eine zeithistorische Spurensuche.
Ein Blick in das damals veröffentlichte Bulletin der Bundesregierung gab keinen Aufschluss. Darin wird von einer Rede Kohls "in der Knesset" berichtet, was einen Auftritt im Plenarsaal meinen könnte, aber auch in einem Ausschuss. Kompliziert wird der Fall dadurch, dass sich Kohl nach damaligen Schilderungen der mitreisenden Journalisten an jenem Tag definitiv im Plenum aufgehalten hat. In verschiedenen Berichten wird dargestellt, wie drei Abgeordnete den Plenarsaal verließen, als der Kanzler eintrat. Andererseits finden sich keine Beschreibungen einer Rede im Saal.
In ihrer Not fragten die deutschen Beamten schließlich bei den Israelis an, ob in den Annalen der Knesset eine Rede Kohls im Jahr 1984 verzeichnet sei. Antwort: Nein. Auch wiesen die Israelis darauf hin, dass die Knesset erst kürzlich ihre Statuten geändert hat, eigens um die Rede Merkels zu ermöglichen. Für die Juristen im Kanzleramt war die Sache klar.
Zur Überprüfung aber noch ein Anruf im Büro Kohl: Dort holt man eine Auskunft vom ehemaligen Berater des Kanzlers, Eduard Ackermann, ein. Der sei zwar in Israel nicht dabei gewesen, heißt es. Er könne sich aber mit ziemlicher Sicherheit daran erinnern, dass sein Chef zwar in der Knesset war, aber nicht vor dem Plenum gesprochen habe. Also ist Merkel doch die erste.
Quelle: ntv.de