Dossier

Rosen und Soldaten Merkels Abschied von Chirac

Es ist sein letzter Auftritt auf der großen Bühne und der hochgewachsene Herr genießt ihn sichtlich. Vor der prächtigen Kulisse des Berliner Reichstags und der im Hof des Kanzleramts angetretenen Ehrenformation aus Soldaten lässt Jacques Chirac noch einmal seinen ganzen Charme spielen.

Mit doppeltem Wangenkuss gefolgt von einem doppeltem Handkuss begrüßt der Franzose Gastgeberin Angela Merkel. Und auch sonst lässt der 74-Jährige keinen Zweifel aufkommen, wer den Ton angibt. Bei seinem letzten offiziellen Auslands-Besuch als französischer Präsident schiebt er Merkel in die richtige Kameraposition und unterstreicht jedes seiner Worte mit den pathetisch-raumgreifenden Gesten, die in den zwölf Jahren seiner Präsidentschaft zum Markenzeichen des Neogaullisten geworden sind.

Es gibt nicht mehr viel zu besprechen. Chirac wird in Kürze sein Amt an seinen Nachfolger oder seine Nachfolgerin übergeben - die Entscheidung fällt am Sonntag, doch das stört an diesem sonnigen Abend in Berlin nicht.

Die deutsche EU-Ratspräsidentin will Chirac den Auftritt als Dankeschön und Würdigung seiner zwölfjährigen Regentschaft schenken. Und so überschüttet Merkel Chirac geradezu mit Freundlichkeiten, offenbart, dass er ihr in der Anfangszeit als Kanzlerin sehr geholfen hat, würdigt sein Engagement für die Förderung des Jugendaustauschs und erinnert daran, dass es der Franzose war, der als erster ausländischer Staatsgast im neu wiedereröffneten Reichstag gesprochen hat.

Vor der Kulisse der in der abendlichen Sonne scheinenden Glaskuppel des Parlaments zitiert Merkel ihren Gast: "Du hast gesagt: Es lebe Deutschland, es lebe Frankreich - und ich füge hinzu: Es lebe die deutsch-französische Freundschaft, vive l'amitie franco-allemande".

Und diesmal hat Angela Merkel auch das richtige Händchen für das passende Präsent. Löste die Kanzlerin mit ihrem Abschiedsgeschenk an Chirac beim EU-Jubiläumsgipfel im März noch einen mittleren diplomatischen Sturm aus - die Türkei hatte in dem Porzellankrug mit angeblich eingraviertem Schlachtensieg Napoleons über die Türken einen unfreundlichen Akt gesehen - so liegt sie nun goldrichtig. Sie überrascht ihren Gast im Ehrenhof des Berliner Kanzleramts mit Rosen und Soldaten.

Statt des Wachbataillons der Bundeswehr tritt eine Abordnung der deutsch-französischen Brigade zum militärischen Zeremoniell an; als augenfälliges Symbol der engen Freundschaft, die die beiden Erzfeinde von einst verbindet. Später sollte der Gast noch einen Rosenstock aus dem Garten Konrad Adenauers erhalten - eine Würdigung für sein Engagement für die europäische Einigung, die den 74-Jährigen wie das letztmalige große Protokoll nicht kalt lässt.

Mit kurzzeitig brüchiger Stimme bedankt sich Chirac bei Merkel, der er "Zuneigung aus vollem Herzen, Hochachtung und allergrößten Respekt" bekundet. Und bevor Merkel und ihr Gast sich zum Abendessen - es gibt Eisbein, Erbsenpüree und Bier - zurückziehen zeigt Chirac, dessen lange Ansprachen stets gefürchtet waren, dass er auch wenige Tage vor Ende seiner Amtszeit immer noch ein Mann ist, der viel zu sagen hat. Mehr als einmal setzt er an, seine Ansprache fortzusetzen, obwohl der Dolmetscher seine vorangegangenen Worte noch gar nicht zu Ende übersetzt hat - Merkel quittiert es mit einem Lächeln.

Thomas Krumenacker, Reuters

Quelle: ntv.de

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