Dossier

Mehr Macht für Deutschland Merkels Mission in New York

Die Kanzlerin war in New York wieder in ihrem Element. Sie redete vor den Vereinten Nationen. In der Nacht zum Dienstag speiste sie Seite an Seite mit US-Präsident George W. Bush bei einem von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ausgerichteten Abendessen. Im markanten UN-Gebäude am East River sprach Angela Merkel unter vier Augen im Halbstundentakt mit den Präsidenten Brasiliens, Luis Incio Lula da Silva, Afghanistans, Hamid Karsai, oder Frankreichs, Nicolas Sarkozy. Dann wurde sie im feinen St. Regis-Hotel am Mittag noch als "Weltstaatsmann" geehrt. Die Laudatio hielt Ex-US-Außenminister Henry Kissinger.

Die Kanzlerin war in New York gefragt, genau wie Deutschland, das seit etwa der Mitte der 90er Jahre einer der wichtigsten Spieler auf der internationalen Bühne ist. Und weil das deutsche Gewicht gewachsen ist, wagte Merkel bei ihrer UN-Mission auch die Neuauflage eines alten rot-grünen Projekts: Das Anstreben eines permanenten Sitzes für die Bundesrepublik im Weltsicherheitsrat. "Deutschland ist bereit, Verantwortung zu übernehmen", sagte Merkel am Dienstag schon vor ihrer Rede vor der UN-Generalversammlung. Deutschland strebe daher einen ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat an, erklärte sie beim Frühstück im Deutschen Haus mit Blick auf die Skyline New Yorks.

Die heutige Zusammensetzung des Sicherheitsrats, der gleich nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurde, spiegelt aus ihrer Sicht nicht mehr das heutige Kräfteverhältnis auf dem Globus. Die USA, Russland und China als drei der fünf ständigen Mitglieder sind immer noch mächtig und wichtig. Aus welchem Grund sollen aber ganze Kontinente wie Afrika oder Südamerika gar nicht in dem Gremium vertreten sein? Und wie ist es noch zu erklären, dass Europa nur durch die alten Siegermächte Großbritannien und Frankreich repräsentiert wird, aber nicht durch Deutschland, das das größte Land des Kontinents ist.

Deutschland, so lautet die Analyse in der Bundesregierung, werde mittlerweile bei der Lösung fast jeder internationalen Krise gefragt. Ständig gehen in Berlin, zuletzt für die Militärmission der UN und der afrikanischen Union in Darfur Wünsche ein, deutsche Soldaten zu entsenden. Es schmerzt auch die Regierung Merkels ein wenig, dass Deutschland dennoch in den entscheidenden Stunden nicht mit am wichtigsten Tisch der Welt sitzt: dem Weltsicherheitsrat.

Merkel wäre auch persönlich bereit, sich dieser neuen Herausforderung zu stellen. Den Verlauf der internationalen Debatte um den Klimaschutz hat sie in den vergangenen Monaten entscheidend bestimmt. Auch in New York schlüpfte sie wieder in ihre schon bekannte Rolle als Klimabotschafterin. Sie sondierte weiter, wie weit die Amerikaner bereit sind, ihr auf ihrem Klimaweg zu folgen. Am Ende konnte sie auch hier feststellen, dass es "Riesenfortschritte" gebe.

Die US-Regierung sagte auf dem Klimagipfel zu, dass die weiteren Verhandlungen zu einem Abkommen zur Eindämmung der Erderwärmung unter dem Dach der Vereinten Nationen stattfinden sollen. Für Merkel ist dies ein ganz wesentlicher Schritt, weil auch vor ihrer Reise nach New York immer wieder der Verdacht geäußert wurde, die USA könnten eine Federführung der Vereinten Nationen ablehnen.

Gleichwohl gibt man sich keinen Illusionen hin, dass der deutsche Sicherheitsratssitz eher heute als morgen Realität wird. Einen gewissen Dämpfer versetzte auch Bush der Kanzlerin, als er in seiner Rede vor der Generalversammlung zwar Japan als möglichen Kandidaten für einen Sicherheitsratssitz ausdrücklich nannte, nicht aber Deutschland. Bush redete nur davon, dass auch andere Nationen in Frage kämen.

Allerdings dürfte Bush auch wenn er Deutschland nicht ausdrücklich erwähnte, Berlins Bestrebungen anders als noch zu Schröders Zeiten keinen Stein in den Weg legen. Alles andere wäre bei den guten Beziehungen der Kanzlerin zum US-Präsidenten sehr verwunderlich. Widerstände sind allerdings nach wie vor von Italien zu erwarten, das sich in der Vergangenheit immer wieder vehement gegen einen deutschen Sitz gewandt hatte. Italien hatte sogar mit Argentinien, Mexiko und Pakistan eine Koalition geschlossen, um eigene Ambitionen durchzusetzen.

Ulrich Scharlack, dpa

Quelle: ntv.de

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