Wie es weitergeht Nach der Wahl ist vor der Wahl
06.11.2008, 12:26 UhrBei Präsidentschaftswahlen in den USA gilt: Nach der Wahl ist vor der Wahl. Am15. Dezember treffen sich die Wahlmänner und -frauen, um Barack Obama zum Präsidenten zu wählen. Die Wahl am 4. November war streng genommen lediglich die Wahl zu diesem "electoral college", dem Gremium der Wahlleute.
Derzeit gehören diesem Gremium 538 Frauen und Männer an. Ihre Zahl richtet sich nach den Mitgliedern des Kongresses: Dort sitzen 100 Senatoren und 435 Abgeordnete. Mit den 3 Wahlmännern aus der Hauptstadt Washington ergibt das 538. Washington - der "District of Columbia" (DC) - ist in den beiden Kammern des Kongresses noch immer nicht vertreten. Damit haben die Hauptstädter aber immer noch mehr Rechte als die Bewohner der Amerikanischen Jungferninseln, der Nördlichen Marianen, von Puerto Rico, Amerikanisch-Samoa und Guam: die Außengebiete der USA haben auf Bundesebene gar kein Wahlrecht.
The winner takes it all
Der US-Präsident wird bekanntlich nach dem Mehrheitswahlrecht gewählt: In jedem Bundesstaat erhält der Kandidat mit den meisten Stimmen alle Wahlleute. Ausnahmen sind Maine und Nebraska. In diesen beiden Staaten erhält der Sieger nur zwei Wahlmänner und -frauen, die restlichen Wahlleute werden in den einzelnen Wahlkreisen vergeben. Eine große Rolle spielt das nicht: Zum einen hat Maine lediglich zwei, Nebraska drei Wahlkreise. Zum anderen fielen diese Staaten bislang immer einheitlich an einen Kandidaten.
Das Mehrheitswahlrecht garantiert eine Mitsprache der bevölkerungsarmen Bundesstaaten. Es sorgt zugleich dafür, dass theoretisch auch der Kandidat gewinnen kann, der landesweit nicht die meisten Stimmen hatte. Dies ist allerdings erst vier Mal passiert: 1824, 1876, 1888 und 2000, als Al Gore gegen George W. Bush verlor. Bush erhielt der Bundeswahlkommission zufolge 50.456.002 Stimmen (47,87 Prozent), auf Gore entfielen 50.999.897 Stimmen (48,38 Prozent). Bush siegte, weil er 271 Wahlmänner gewann - Gore holte nur 266.
Der erste Montag nach dem zweiten Mittwoch
Das Kollegium der Wahlleute tritt nie als Gremium zusammen - in den USA ist daher meist auch nicht von Wahlmännern und -frauen die Rede, sondern von "electoral votes", Wahlstimmen. Die Wahlleute treffen sich in den Hauptstädten ihrer jeweiligen Bundesstaaten und geben dort ihre Stimmen ab - eine für den Präsidenten, die andere für den Vizepräsidenten. Dies geschieht immer am ersten Montag nach dem zweiten Mittwoch im Dezember, 41 Tage nach der eigentlichen Wahl.
Die Bundesstaaten verpflichten die Wahlmänner, für den Kandidaten zu stimmen, für den sie gewählt wurden. Maßgeblich ist jedoch die Bundesverfassung, und die sieht kein imperatives Mandat vor. Die Verpflichtung auf den eigenen Kandidaten ist daher nicht einklagbar. In der Praxis kommt es nur selten zu Abweichungen, einen Einfluss auf die Entscheidung hatten "faithless electors" noch nie. Zuletzt gab es im Jahr 2000 ein abweichendes Stimmverhalten: Damals enthielt sich eine demokratische Wahlfrau aus DC der Stimme, um dagegen zu protestieren, dass die Hauptstadt im Kongress keine Stimme hat.
Cheneys letzter großer Auftritt
Die Stimmzettel werden aus den Hauptstädten der Bundesstaaten nach Washington geschickt und dort in einer gemeinsamen Sitzung des neuen US-Kongresses ausgezählt. Diese gemeinsame Sitzung findet immer am 6. Januar statt. Den Vorsitz hat der Vizepräsident, der zugleich Präsident des Senats ist. Es wird daher Dick Cheney überlassen sein, den neuen Präsidenten und Vizepräsidenten der USA zu verkünden.
Nach dem 6. Januar ist der neue Präsident noch immer nicht im Amt. Die feierliche "inauguration" findet erst am 20. Januar statt.
Quelle: ntv.de