Franziska Drohsel zum SPD-Aufbruch "Nicht alles war richtig"
05.01.2010, 19:23 UhrDer SPD-Bundesparteitag in Dresden liegt fast zwei Monate zurück. Dort propagierte die Partei den Aufbruch. Doch ist sie schon in die Gänge gekommen? Ja, meint Franziska Drohsel, Bundesvorsitzende der Jusos. Das Signal sei gesetzt, gegenüber Schwarz-Gelb profiliere sich die SPD deutlich. Vieles müsse noch diskutiert werden, aber es komme nun darauf an, an einem Strang zu ziehen.

Im verschneiten Berliner Tiergarten sprach Manfred Bleskin mit Juso-Chefin, Franziska Drohsel, über die Aufbruchspläne in der SPD.
Manfred Bleskin: Die SPD hat auf dem Dresdner Parteitag Zeichen eines Aufbruchs gesetzt, kommt aber trotzdem nicht in die Puschen.
Franziska Drohsel: Wir haben ein klares Signal gesetzt. Nicht nur durch die Rede von Sigmar Gabriel, sondern auch mit der Forderung nach einer Vermögenssteuer ist deutlich geworden, wofür die Sozialdemokratie eigentlich steht: für soziale Gerechtigkeit. Es kommt jetzt darauf an, dass die gesamte Partei diesen Neuanfang gestaltet.
Steht die ganze Partei hinter den Beschlüssen von Dresden?
Mein Eindruck ist, dass es zur Vermögenssteuer einen großen Konsens gibt. Wenn - wie in den letzten Jahren - immer mehr Reichtum auf immer weniger Menschen verteilt wurde, andererseits immer mehr Menschen in Armut leben, dann ist es doch nur richtig wieder verstärkt Umverteilungsinstrumente einzusetzen. Außerdem: Der Parteitag ist das größte beschlussfassende Gremium der Partei.
Ex-Generalsekretär Hubertus Heil hat gerade wieder Hartz IV verteidigt. Ein Neuanfang sieht anders aus?
Mit einer einfachen Verteidigung von Hartz IV kommen wir nicht weiter. Mein Eindruck in Dresden war, dass die Rente mit 67 und Hartz IV in der Partei jetzt ergebnisoffen diskutiert werden sollen, und dass wir als Partei dazu eine gemeinsame Position hinbekommen wollen. Wir als Jusos sehen vieles, was im Rahmen von Hartz IV umgesetzt wurde, sowie die Rente mit 67 sehr kritisch. Da gibt’s andere in der Partei, die das positiv sehen. Man muss aber ehrlich genug sein zu evaluieren, wohin die Politik der letzten Jahre geführt hat. Es kann nicht alles richtig gewesen sein, wenn die Schere zwischen Arm und Reich so wie in den letzten Jahren auseinandergeht.
Sigmar Gabriel hat auf dem Arbeitgebertag einen Pakt der wirtschaftlichen Vernunft angeboten. Das war vor anderthalb Monaten. Seither hat man nichts mehr davon gehört.
Das war erst einmal ein Angebot, gemeinsam Anstrengungen zu unternehmen, um Arbeitsplätze zu erhalten.
Durch Lohnverzicht?
Lohnverzicht halte ich nicht für geeignet. Eine Konsequenz aus den letzten Jahren muss doch sein, dass es schon richtig ist, für den Erhalt von Arbeitsplätzen zu kämpfen. Es kommt aber auch darauf an, was das für Arbeitsplätze sind. Ich finde es entscheidend, dass Menschen von ihrer Arbeit leben können.

Sigmar Gabriel auf dem Bundesparteitag in Dresden im November.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Die Kleine Koalition wurschtelt vor sich hin. Das wäre doch DIE Gelegenheit sich zu profilieren.
Ich finde schon, dass sich die SPD deutlich gegenüber Schwarz-Gelb profiliert. Wir können das an der einen oder anderen Stelle sicher noch stärker machen. Aber es wird deutlich, dass die SPD ein anderes Politikverständnis hat als Schwarz-Gelb. Die stolpern von einer Pleite zur nächsten. Und unsere Befürchtung, dass die Koalition eine Klientelpolitik für bestimmte Schichten betreibt, die hat sich voll bewahrheitet.
In Nordrhein-Westfalen wird gewählt. Mit welchen Zielen und Wünschen geht ihre Partei in den Wahlkampf?
Auf jeden Fall mit dem Ziel, dort stärkste Partei zu werden und Schwarz-Gelb abzulösen. Für mich als Vertreterin eines Jugendverbandes steht ganz klar die Bildungspolitik im Vordergrund; die Studiengebühren müssen abgeschafft werden. Die Bildungsstreiks haben gezeigt, dass die Situation an den Unis teilweise verheerend ist. Sicher ist eine Frage, wie die Bachelor- und Masterabschlüsse gestaltet sind. Aber die andere ist, ob jeder, der es möchte, auch studieren kann. Studiengebühren wirken abschreckend auf jene, die nicht aus reichen Familien kommen.
Gesetzt den Fall, Ihre Partei wird stärkste Kraft. Glauben Sie, dass Sie das alles mit der CDU durchsetzen können? Wer wäre denn der Partner, mit dem man diese Forderungen durchsetzen kann?
Es macht im Vorfeld von Wahlen keinen Sinn, abstrakt über Koalitionen zu spekulieren. Da muss man für seine Positionen kämpfen, dafür, dass die eigene Partei möglichst stark wird. Danach kann man schauen, mit welcher Partei man das Meiste davon durchsetzen kann.
Der Afghanistan-Einsatz wächst der Bundesregierung über den Kopf. Eine klare Linie kann ich aber auch bei der SPD nicht erkennen.
Auch Afghanistan ist ein Bereich, über den man bei uns in der Partei grundlegend diskutieren muss. Die Militarisierung der deutschen Außenpolitik hat unter Rot-Grün stattgefunden. Im Kosovo hat sich Deutschland erstmals wieder aktiv an kriegerischen Auseinandersetzungen beteiligt. Dies ist, wie der Afghanistan-Einsatz, in der Partei sehr kontrovers diskutiert worden. Die Auseinandersetzung, wie die Partei sich da grundsätzlich positioniert, steht definitiv an.
Quelle: ntv.de, Mit Franziska Drohsel sprach Manfred Bleskin