"Südwest-CDU fehlt es an Glaubwürdigkeit" Nils Schmid: Übernehmen schweres Erbe
25.03.2011, 06:41 Uhr
Viele Bürger trauen der 180-Grad-Wende ihres Ministerpräsidenten nicht.
(Foto: picture alliance / dpa)
Der Wiedereinstieg beim Atomkonzern EnBW wird das Land Baden-Württemberg noch viel Geld kosten. Neckarwestheim I und Philippsburg I stehen vor dem Aus. Damit wären zwei von vier AKW mit Landesbeteiligung ohne Einnahmen. Der Bund der Steuerzahler befürchtet ein Desaster für den Landeshaushalt und spricht von Verlusten in Höhe mehrerer hundert Millionen Euro. Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) steckt wenige Tage vor der Landtagswahl in arger Erklärungsnot. SPD-Spitzenkandidat Nils Schmid hat beste Aussichten, nach der Wahl ein schweres Erbe anzutreten. Im Gespräch mit n-tv.de klagt er über den schlecht vorbereiteten EnBW-Deal und spricht über die Möglichkeiten, aus dem "verpatzten Geschäft doch noch etwas Gutes für das Land" zu machen.
n-tv.de: Stefan Mappus hat alle Hände voll zu tun, seinen Wählern den EnBW-Deal als gutes Geschäft zu verkaufen. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist überzeugt, dass er seinen "neuen ernergiepolitischen Weg gut begründen kann". Kann er das?
Nils Schmid: Was Mappus macht, ist nicht überzeugend. Er argumentiert immer mit der Dringlichkeit des Kaufs der EnBW-Anteile, weil ausländische Investoren bereits auf der Lauer gelegen haben sollen. Das ist absolut lächerlich, weil es ein Vorkaufsrecht der OEW (kommunaler Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke) gab, das noch bis Ende 2011 galt. Dieses Vorkaufsrecht war immer die Rückversicherung des Landes, für den Fall, dass die EDF, der französische Staatskonzern Electricite de France, auf die Idee kommen sollte, seine Anteile zu verkaufen. Wir haben immer gesagt, egal was passiert, es gibt ein Vorkaufsrecht eines Miteigentümers, der dem Land sehr nahe steht. Diese Eile war also keinesfalls gegeben.
Mappus hat aber stets argumentiert, das Land Baden-Württemberg habe dann wieder Einfluss auf die Energiewirtschaft.
Das ist auch okay so. Allerdings ließ Mappus bislang offen, was er mit diesem Einfluss erreichen will. Eine Strategie lässt er bislang vermissen. Auch legte er dem Parlament keinerlei Szenarien über die Gewinnentwicklung des Unternehmens vor. Allein das ist schon sehr ungewöhnlich. Bei der Kapitalerhöhung für unsere Landesbank gab es beispielsweise sehr konkrete Angaben von renommierten Wirtschaftsprüfern über die Zukunft des Unternehmens in Abhängigkeit verschiedener Szenarien. Es wäre also naheliegend gewesen, für die EnBW ähnliche Vorgaben zu machen. Es ist nicht einmal errechnet worden, wie sich die Gewinne des Unternehmens mit und ohne Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke entwickeln würden. Es sind also keinerlei Analysen erstellt oder vorgelegt worden. Herr Mappus ist ohne Konzept und ohne Strategie in das Geschäft gegangen. Deshalb fällt es ihm folgerichtig jetzt auch auf die Füße.
Mappus argumentiert aber auch, er habe die EnBW als Atomkonzern gekauft, um mit der Atomkraft Geld zu verdienen.
Ja klar, damit ist er auch gefangen in seiner eigenen Atompolitik, denn sein ganzes Vorhaben fußte auf dem Versprechen der Merkel-Regierung, dass die EnBW die Laufzeitverlängerung bekommt. Er hat sich damit in eine einseitige Abhängigkeit begeben, was die Strategie der EnBW betrifft. Mappus wollte aber wieder verkaufen. Sein Ziel war, die Unternehmensanteile relativ kurzfristig an die Börse zu bringen. Leider hat er dabei übersehen, dass man mit den Atomkraftwerken der EnBW in Baden-Württemberg auf die Zukunft gerechnet keinen Gewinn mehr erzielen kann. Der Laden, so wie er ist, ist zu einem Sanierungsfall geworden. Wir sagen jetzt, dass wir das Unternehmen behalten und neu ausrichten müssen, auf erneuerbare Energien und als Partner der Stadtwerke.
Trifft es zu, dass Kommunen bereits ihre EnBW-Anteile verkaufen, weil sie keine Hoffnungen mehr in das Unternehmen setzen?
Ja, das stimmt. In diesen Tagen häufen sich die Meldungen, dass die Kommunen, beziehungsweise Stadtwerke ihre Anteile veräußern. Sie wissen offenbar selbst, dass sie den derzeitigen Kurs für das Unternehmen so schnell nicht wieder erzielen werden können.
Herr Mappus berichtet davon, dass Käufer bereit stünden, um die Landesanteile an der EnBW übernehmen zu wollen. Wie viele haben sich denn schon gemeldet?

Nils Schmid: Mappus' Wandel vom atomaren Saulus zum Paulus kann nicht überzeugen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Diese Unternehmen sind vielleicht in den Wunschvorstellungen von Herrn Mappus vorhanden. In Wirklichkeit steht aber niemand Schlange. Die Stadtwerke wollen sich ganz einfach nicht an einem Atomkonzern beteiligen. Der Atomkurs der EnBW ist ein erhebliches Hindernis für eine engere Kooperation mit den Stadtwerken. Schon aus dieser Sicht war die Laufzeitverlängerung fatal für die Kommunen. Der Atomkonsens der rot-grünen Bundesregierung mit den Betreibern war eine zuverlässige Größe für alle Beteiligten. Durch die klaren Festlegungen, wann welche AKW abgeschaltet werden, war ein Heranrücken der Kraftwerke an die Stadtwerke möglich. Das hat Mappus als Deutschlands größter Atomlobbyist zunichte gemacht. Wenn er sich hinstellt und sagt, das Miteigentum an den Atomkraftwerken ermögliche jetzt die Entscheidung, dass man so ein Kraftwerk auch mal abschalten kann, dann ist das ja völlig absurd. Mappus hat die Anteile ja nicht gekauft, um die AKW abzuschalten, sondern weil er von der Laufzeitverlängerung profitieren wollte.
Glaubt man den Umfragen, könnten Sie demnächst – in welcher Konstellation auch immer – ein gefährliches Erbe antreten. Sind Sie scharf darauf?
Tatsächlich würde eine sehr langwierige und schwierige Aufgabe auf uns zukommen, aus diesem schlecht vorbereiteten Geschäft etwas Gutes für das Land zu machen. Das kann aber nur gelingen, wenn wir die Landesanteile halten und nicht versuchen, sie schnell wieder an der Börse flüssig zu machen. Und es kann uns nur gelingen, wenn wir die EnBW zu einem Musterkonzern für erneuerbare Energien machen. Einen anderen Weg sehe ich nicht, wie das Land Baden-Württemberg wieder zu seinem Geld kommen könnte. Wir werden viel Geduld mitbringen müssen.
Also raus aus der Atomkraft?
Absolut klar. Raus aus der Atomkraft, heißt die Devise. Ich habe auch immer gesagt, wir stehen zur EnBW und wollen die Anteile halten. Es geht schließlich auch um Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Baden-Württemberg. Aber die klare Strategie heißt, Ausrichtung auf erneuerbare Energien. Zudem soll die EnBW ein Partner der Stadtwerke sein.
Quelle: ntv.de, Mit Nils Schmid sprach Peter Poprawa