Krise als Bewährungsprobe Nußbaum löst Sarrazin ab
29.04.2009, 10:59 UhrIn Berlin geht eine Ära knallharten Sparens und provozierender Sprüche zu Ende. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) scheidet nach sieben Jahren und drei Monaten aus dem Amt des obersten Berliner Kassenhüters aus, das er unverwechselbar prägte. So konsequent wie kein anderer setzte der Volkswirt die Maxime des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) zum Start des ersten rot-roten Senats um, "sich von der Versorgungsmentalität der Vergangenheit zu verabschieden". Ebenso konsequent verstörte er immer wieder politische Freunde und Gegner mit markigen Äußerungen.
Unter Sarrazins Leitung schaffte es das Land erstmals in der Nachkriegsgeschichte, 2007 und 2008 mit einem Haushalt ohne neue Schulden abzuschließen. Bei seinem Amtsantritt klaffte noch ein Loch von 5,2 Milliarden Euro im Etat. Doch angesichts der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise droht Berlin erneut in die Schuldenfalle zu rutschen. Für 2009 müssen bereits wieder 916 Millionen Euro neue Schulden aufgenommen werden. Und am Wochenende sagte der scheidende Finanzsenator angesichts der einbrechenden Konjunktur voraus: "Die Einnahmesituation wird katastrophal werden."
Nussbaum übernimmt das Krisensteuer
Kein leichter Einstand für seinen Nachfolger Ulrich Nußbaum, der mitten in der Aufstellung des Doppelhaushaltes 2010/2011 das Amt übernimmt. Der frühere Bremer Finanzsenator kennt die Situation überschuldeter Stadtstaaten bestens aus eigener Anschauung. Nur Bremen liegt im Vergleich der 16 Bundesländer bei der Pro-Kopf- Verschuldung noch vor Berlin. Sarrazin gab seinem Nachfolger dazu mit auf den Weg: "Nur in Krisen kann man sich bewähren. Wenn der Finanzsenator von Berlin kein Krisenjob wäre, hätte er auch keinen Spaß gemacht."
Der Amtswechsel ist eine Premiere: Bei einer kleinen Feier im Wappensaal des Roten Rathauses wird am 30. April Sarrazin verabschiedet und sein Nachfolger Ulrich Nußbaum ernannt. In diesem zweiten rot-roten Senat scheidet das erste Regierungsmitglied aus. Über Entlassung und Ernennung entscheidet nach der Verfassungsänderung, mit der die Stellung des Regierenden Bürgermeisters gestärkt wurde, nun der Regierungschef allein. Er muss seine Senatoren nicht mehr wie die Jahrzehnte zuvor vom Parlament wählen lassen. Sarrazin geht auf eigenen Wunsch zum 1. Mai als Vorstand zur Bundesbank in Frankfurt/Main.
Kirsten Baukhage, dpa
Quelle: ntv.de