Dossier

US-Gesundheitsreform Obama zeigt sich kampfbereit

Mit einer leidenschaftlichen Rede hat Barack Obama vor dem Kongress um seine Gesundheitsreform gekämpft. Die Ansprache galt als wichtiger Test für den US-Präsidenten.

Obama musste die bislang schwerste Rede seiner Amtszeit halten.

Obama musste die bislang schwerste Rede seiner Amtszeit halten.

(Foto: dpa)

Das majestätische Protokoll verlieh dem Auftritt des Präsidenten eine Aura von Bedeutsamkeit, noch ehe dieser überhaupt zu reden angefangen hatte. Das gesamte Kabinett zog feierlich in den Plenarsaal des Kapitols in Washington ein. Dann rief der Protokollchef den Namen des Redners in die Halle. US-Präsident Barack Obama benötigte mehrere Minuten, ehe er das Rednerpult erreichte. Er schüttelte auf dem Weg dorthin jede ausgestreckte Hand. Der Zuspruch galt einem Präsidenten, der die bislang schwierigste Rede seiner Amtszeit halten musste. Obama kämpfte um seine Gesundheitsreform - und um seine politische Handlungsfähigkeit.

Auftritte von US-Präsidenten vor beiden Häusern des Kongresses sind selten. Obama hatte diese Kulisse selbst gewählt, um die Bedeutung seines Vorhabens zu unterstreichen. Über die Sommerpause ist der Streit um die Gesundheitsreform außer Kontrolle geraten, viele Bürger sind verunsichert. Es wachsen die Zweifel an seiner Führungskraft. Diesen Zweiflern hielt Obama vor den Abgeordneten demonstrative Entschlossenheit entgegen. Er zeigte sich angriffslustig.

Neue Seite Obamas

"Die Zeit für Spielchen ist vorbei", so Obama.

"Die Zeit für Spielchen ist vorbei", so Obama.

(Foto: REUTERS)

"Ich bin nicht der erste Präsident, der sich dieses Themas annimmt, aber ich bin entschlossen, der letzte zu sein", sagte Obama. Etwa 47 Millionen US-Bürger ohne Krankenversicherung, explodierende Gesundheitskosten - zu einer Reform gebe es keine Alternative. Seine Tür sei für Kritiker offen, wenn sie konstruktive Vorschläge machten, sagte der Präsident. "Aber eines ist klar: Ich werde keine Zeit für jene verschwenden, deren Kalkül es ist, dieses Vorhaben zu begraben anstatt es zu verbessern."

Damit lernten die US-Bürger eine neue, schärfere Seite Obamas kennen. Seine gesamte politische Karriere beruhte auf seiner Vision, die ideologischen Gräben zu überwinden und politische Gegensätze im Konsens zu überbrücken. Der bittere Widerstand der Republikaner gegen sein Reformvorhaben hat dem Präsidenten die Grenzen dieses Ansatzes aufgezeigt.

Gewandt an seine "republikanischen Freunde" zog er über die "wilden Behauptungen" von Kritikern her. Der Präsident griff das Gerücht auf, er wolle aus Spargründen auf die Behandlung alter Menschen verzichten: "Solche Vorwürfe wären lächerlich, wenn sie nicht so zynisch und unverantwortlich wären", sagte Obama. "Das sind Lügen, ganz einfach." Auch einen Hieb auf seinen Vorgänger George W. Bush erlaubte er sich. Der habe mit dem Irak-Krieg und mit Steuernachlässen für Reiche ein größeres Budgetloch gerissen, als es die Gesundheitsreform je tun würde.

"Sie lügen!"

Der Republikaner Wilson bezeichnete den Präsidenten als Lügner.

Der Republikaner Wilson bezeichnete den Präsidenten als Lügner.

(Foto: AP)

Die republikanischen Abgeordneten quittierten die Provokationen mit Kopfschütteln. Der Parlamentarier Joe Wilson schleuderte Obama gar ein wütendes "Sie lügen!" entgegen. Dessen eigentliche Zielgruppe dürfte freilich die eigene Partei gewesen sein: Bei den Demokraten kamen die Spitzen gut an, zumindest für diesen Abend schlossen sich die Reihen der zerstrittenen Partei. Eigentlich haben die Demokraten genug Mandate zur Verabschiedung der Reform. Ihr Scheitern droht deshalb, weil nicht alle ihrem Präsidenten folgen wollen.

Für Obama geht es um nicht weniger als seine Handlungsfähigkeit. Sollte seine Gesundheitsreform scheitern, stünden auch andere Vorhaben auf dem Spiel. Obama will nun versuchen, wenigstens das Kernstück der Reform zu retten: Den bislang unversicherten Bürgern den Zugang zu einer Krankenversicherung zu ermöglichen - auf welchem Weg auch immer. Zudem sollen Versicherungen verpflichtet werden, auch Menschen mit Vorerkrankungen aufzunehmen. Ebenfalls konsensfähig ist die Forderung nach einer Begrenzung der Kostenexplosion im Gesundheitswesen.

"Auch wenn wir wichtige Details noch klären müssen, glaube ich doch an einen breiten Konsens für die wichtigsten Punkte", sagte Obama. Sollte ihm die Reform gelingen, wäre dies ein Sieg in einem Streit, in dem in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Präsidenten gescheitert sind. Triumph oder Niederlage für Obama - die Entscheidung darüber ist noch nicht gefallen.

Quelle: ntv.de, Peter Wütherich, AFP

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