Dossier

Neues Leben in Washington Obamas Abschied vom Alltag

Krone und Zepter haben als Zeichen der Macht längst ausgedient. Die Insignien der Herrschaft zeichnen sich im Amerika von heute eher durch praktischen Nutzwert aus: Grobe Zementblöcke versperren in Washingtons Zentrum die Straßen, Absperrgitter halten Passanten fern. Das Aufgebot um das vornehme Hay-Adams-Hotel kündet vom Einzug Barack Obamas, der am Wochenende mit seiner Familie Quartier in der Herberge bezog und nun seine erste Arbeitswoche als designierter Präsident in der Hauptstadt absolviert. Für die Obamas wird nichts mehr so sein, wie es war: Auf die junge Familie wartet ein Leben in den engen Grenzen von Protokoll und Sicherheitsmaßnahmen.

Der Umzug aus seiner Heimatstadt Chicago nach Washington geriet zu einem der seltenen Momente, in denen der ansonsten überaus kontrollierte Obama Gefühle erkennen ließ. "Mich hat ein wenig die Rührung gepackt, als ich unser Haus verlassen habe", sagte er vor Journalisten. Zum Abschied blätterte er durch ein Album mit Kinderbildern - und dachte dabei wohl an jene kleinen Freuden des Alltags, die bis vor kurzem noch das relativ normale Leben seiner Familie kennzeichneten: ein spontanes Essen beim Lieblingsitaliener, ein Einkaufsbummel mit den beiden Töchtern, Sport mit Freunden im Fitness-Studio.

Macht schafft Distanz

"Jetzt muss ich meinen Friseur kommen lassen, damit er mir an einem geheimen Ort die Haare schneidet", sagte Obama kürzlich verwundert im TV-Sender CBS. Die "kleinen Routineangelegenheiten des Alltags" werde er wohl vermissen, räumte er ein. Die "Washington Post" berichtete, Obama habe gegenüber Freunden geklagt, er fühle sich "ein bisschen umzingelt" von seinen vielen Leibwächtern.

Macht schafft Distanz, der Einzug ins Weiße Haus birgt die Gefahr der Einsamkeit. "Kein Durchkommen, gehen Sie außen rum!", ruft ein Polizist am Montag im Befehlston Passanten vor dem Hay-Adams-Hotel zu, wo die Obamas wohnen, bevor sie nach der Vereidigung am 20. Januar ins Weiße Haus einziehen dürfen. "Präsidentenfamilien hatten es immer schwer damit, eine Form der Normalität zu bewahren", sagt der Historiker Robert Watson von der Lynn University in Florida, der sich mit dem Leben im Weißen Haus beschäftigt hat. "Sie leben ihr Leben in einer Art Goldfischglas."

Das Land schaut zu

Das Leben im Zentrum der Macht ist ein ständiges Ausgesetztsein - den Blicken des Volks, der bohrenden Neugier der Medien, den strengen Vorgaben der Personenschützer. Als besondere Belastung könnte sich dies für die beiden Obama-Töchter Malia und Sasha erweisen, die am Montag ihren ersten Schultag in Washington hatten. Journalisten und Kameraleute beobachteten vor der exklusiven Privatschule Sidwell Friends, wie Michelle Obama ihre Töchter in einem vierradgetriebenen Jeep zum Unterricht brachte.

Die Obamas hatten sich für die fast 30.000 Dollar pro Jahr teure Schule entschieden, weil sie lange Erfahrung im Umgang mit Prominentenkindern hat: Bereits die frühere Präsidententochter Chelsea Clinton hatte hier gelernt. Die Obamas wollen den sieben und zehn Jahre alten Töchtern eine einigermaßen normale Kindheit ermöglichen. "Bislang sind sie nicht eingebildet", sagte Obama in dem CBS-Interview. "Eine unserer wichtigsten Aufgaben ist es, dass dies so bleibt." Ihre Zimmer im Weißen Haus sollen die Mädchen selbst aufräumen, ihnen zuliebe zog auch Oma Marian Robertson von Chicago nach Washington um.

"Präsidentenkinder werden schnell zu einer Art Maskottchen der Nation, die Leute schauen gerne zu, was sie machen", sagt Historiker Watson. "Wenn eines der Mädchen durch Prüfung fällt, wird das ganze Land davon erfahren." Ein Trost für die Kinder: Der Komplex des Weißen Hauses verfügt neben 132 Zimmern und 45 Bädern auch noch über ein eigenes Kino, eine Kegelbahn, einen Tennisplatz und ein Schwimmbad.

Quelle: ntv.de, Peter Wütherich, AFP

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