"Anti-Berlusconi-Kampagne" Opposition wittert Chance
04.06.2009, 13:07 UhrLügen, Machtmissbrauch und Verschwendung von Steuergeldern: Die Opposition wettert vor der Europawahl gegen ihren Staatschef. Doch Berlusconi zeigt sich siegessicher.

Der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi gerät kurz vor den Europawahlen mächtig ins Visier.
(Foto: dpa)
Vor einigen Wochen war die Welt des Silvio Berlusconi noch in Ordnung. Medienwirksam hatte er sich nach dem Erdbeben in den Abruzzen als sorgender Landesvater in Szene gesetzt. Gegen die Ängste der Italiener war sein Bollwerk einer strammen Sicherheitspolitik in Bella Italia gedacht. So hatte der Milliardär und Medienmogul doch schon die Parlamentswahlen vor 14 Monaten glatt gewonnen. Doch dann spielte sein Privatleben die erste Geige - Pikantes und Anrüchiges beherrschte die Titelseiten. Die linke Opposition hofft also auf eine gelbe Karte des Wählers für Berlusconi bei der Europawahl an diesem Wochenende. Doch dieser ist siegessicher und offensiv wie eh und je.
Die süffisanten Schlagzeilen um die neapolitanische Schülerin Noemi Letizia, der er doch irgendwie zugetan ist, sie waren für die linken Gegner des Regierungschefs ebenso ein gefundenes Fressen wie sein Rosenkrieg mit der Noch-Gattin Veronica Lario. Diese hielt ihm empört einen Hang zu Minderjährigen vor. Dann die konfiszierten Fotos eines sardischen Paparazzo von jungen Schönheiten, wie sie sich am Pool von Berlusconis Luxusvilla Certosa räkeln. Und auf einem der Schnappschüsse ist zu sehen, wie Berlusconi Privatgäste mit einer Staatsmaschine zur Party bringen lässt, was Vorermittlungen nach sich zieht. Lügen, Machtmissbrauch und Verschwendung von Steuergeldern, so wettert die Opposition. Ein Komplott gegen ihn wittert der Cavaliere.
Berlusconi vermutet Komplott
Während Europa im italienischen Wahlkampf durch Abwesenheit glänzte, hätte der konservative Regierungschef also Grund, beunruhigt zu sein. Im Gegensatz zu seinem britischen Kollegen Gordon Brown droht ihm aber kein eigentliches Wahldebakel, wenn man den Umfragen Glauben schenken will. Also träumt Berlusconi seinen Traum weiter: Sein "Volk der Freiheit" (PdL) werde mehr als 40 Prozent erreichen und somit im Europaparlament "die wichtigste Parlamentariergruppe" und damit den Präsidenten stellen. Das ist eben jener Bumerang, von dem er wieder und wieder spricht: Er setzt darauf, dass die Wähler die Anti-Berlusconi-Kampagne so sehen wir er, als Hebel derer, die ihm politisch nichts anhaben könnten. Auch das Ausland dresche mit Hintergedanken auf ihn ein, so sein Medienkonkurrent Rupert Murdoch.
Mag sein, dass Dario Franceschini und seine "Demokratische Partei" (PD) aus dem Reigen der Skandale und Skandälchen rund um Berlusconi Kapital schlagen. Nach vielen Umfragen deutlicher im Aufwind scheint allerdings die kleine Anti-Korruptions-Partei "Italien der Werte" (Idv) des Antonio Di Pietro. Er schießt wie gewohnt die schwersten Breitseiten gegen Berlusconi ab, auch zum "Fall Mills", der nichts mit Sex und Rosenkrieg zu tun hat und somit etwas in den Hintergrund trat. Das ist jene Korruptionsaffäre, in der der britische Anwalt David Mills laut Urteilstenor gelogen hat - für Berlusconi, der durch ein auf ihn zugeschnittenes Immunitätsgesetz vorerst geschützt ist.
Ein klarer Sieger der Europawahl könnte die rechtspopulistische Lega Nord des Umberto Bossi sein, die als Berlusconis Bündnispartner in der Regierung zuzulegen scheint. Möglich, dass viele Italiener die Nase voll haben von den Skandal-Schlagzeilen, "Kapitän Berlusconi" in der Krise aber auch nicht missen wollen. Eine stärkere und damit noch selbstbewusstere Lega Nord im Regierungsboot würde Silvio Berlusconi die Arbeit jedoch kaum leichter machen. Im Land der vielen Parteien, in dem seit Jahrzehnten keine auf 40 Prozent oder mehr kommen konnte, ist die Europawahl dank Berlusconis Eskapaden nun doch zum spannenden Stimmungstest geworden, mit schwer absehbaren Folgen für die Politik.
Quelle: ntv.de, Hanns-Jochen Kaffsack, dpa