Dossier

Wahlkampf in der Disco Österreich lässt ab 16 wählen

Sie bieten sich zum schnellen Kennenlernen beim "Speed-Dating" an, lassen sich als Partygast einladen oder schlagen sich als Rapper in Discos die Nächte um die Ohren: Mit vollem Einsatz wetteifern Österreichs Politiker momentan im Wahlkampf um ihren "Coolness-Faktor" und Sympathien bei den Jugendlichen. Denn erstmals in Europa dürfen bei den österreichischen Nationalratswahlen am 28. September auch 16- und 17-Jährige auf Bundesebene ihr Kreuzchen machen.

Das stellt Politik und Staat vor die Aufgabe, ihre rund 180.000 Jungwähler auf ihr "erstes Mal" auch richtig vorzubereiten. Durch die vorgezogenen Neuwahlen kommt das Jugendwahlrecht für viele überraschend, eigentlich sollten die Neuwähler mit Programmen bis 2010 sanft auf ihre neue Aufgabe vorbereitet werden. Wahlentscheidend dürften die Debütanten an der Urne allerdings nicht sein - sie machen nur knapp drei Prozent aller Wahlberechtigten aus.

Das Kreuz wie die Eltern

"Ich freue mich schon, dass ich wählen kann, aber unbedingt sein müsste es auch nicht", sagt die 16-jährige Valerie, Schülerin an der Graphischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt in Wien. In der Schule müsse sie sich gezwungenermaßen mit der Wahl befassen, aber inzwischen sei sie auch Thema im Freundeskreis. "Ich finde es gibt genug 16-jährige, die nicht wählen sollten, weil sie überhaupt keine Ahnung davon haben", sagt der 15-jährige Beat, der sich sehr für Politik interessiert, das Wahlalter aber leider erst im Dezember erreicht. Außerdem kreuzten viele doch sowieso nur an, was ihre Eltern ihnen sagten, meint Beat - und bringt damit die Kritik der Jugendwahlrechts-Gegner auf den Punkt.

"Wenn es danach ginge, hätten wir heute noch kein Frauenwahlrecht", sagt der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier. Mit genau diesen Argumenten - keine Ahnung von Politik und Abhängigkeit vom Familienoberhaupt - sollten damals schon die Damen von den Wahllokalen ferngehalten werden. Entgegen aller Vorurteile interessieren sich die Jungwähler laut Filzmaier sogar im Schnitt mehr für die Politik als Erwachsene. 70 Prozent der Jugendlichen halten jedoch die Volksvertreter im Alpenland nach einer Studie für wenig glaubwürdig. "Das Jugendwahlrecht bedeutet weder die Rettung der Demokratie noch den Untergang", gibt sich der Politologe gelassen. Es sei aber eine Chance, Jugendliche früh für politische Bildung zu interessieren.

Rap in der Diskothek

Für Meinungsforscher ist das Wahlverhalten der Halbwüchsigen auf Bundesebene bisher ein ziemliches Rätsel. Nach einer Studie des österreichischen Institutes für Jugendkulturforschung beschäftigen junge Alpenländer momentan hauptsächlich die Themen Ausländer und Asyl, gefolgt von Bildung und Arbeitslosigkeit. Während es Schüler eher zu den Grünen oder dem Liberalen Forum (LIF) zieht, sympathisieren Lehrlinge und berufstätige Jugendliche mehr mit den beiden rechten Parteien FPÖ und BZÖ.

Auch die Politik weiß noch nicht so recht mit der neuen Zielgruppe umzugehen und versucht sich mit Forderungen wie der Abschaffung von Studiengebühren oder nach einem billigerem Führerschein. Für mehr Jugend-Nähe vermietet die sozialdemokratische SPÖ beispielsweise ihre Volksvertreter als Partygast, "Österreich, das Land ist reich - doch verteilt ist das nicht gleich", rappt der rechte FPÖ-Spitzenkandidat Heinz-Christian Strache im engen Shirt in der Disco.

"Wenn sich eine Partei erst im Wahlkampf fragt, was mache ich, um Jugendliche anzusprechen, tendiert das dazu, peinlich zu werden", sagt der Politikwissenschaftler. Auch bei Valerie, Beat und ihren Freunden scheint der "Coolness-Faktor" nicht ganz anzukommen. "Die Politiker sind ja nicht wirklich so, das ist voll unecht - dann sollen sie lieber wirklich junge Menschen aufstellen", sagt Valerie. Sie hatte bereits bei einem Demokratie-Workshop mit verschiedenen Politikern ein "Speed-Dating" und war wenig angetan. "Manchmal haben die so um den heißen Brei herumgeredet, das war ein Wahnsinn."

Quelle: ntv.de, Miriam Bandar, dpa

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