Bushs Alptraum bald wahr? Pakistan am Abgrund
04.11.2007, 17:57 UhrIm Weißen Haus gab sich niemand mehr die Mühe, diplomatisch behutsam zu formulieren. "Sehr enttäuschend" seien die Notstands-Entscheidungen des pakistanischen Präsidenten Pervez Musharraf, meinte Sprecher Gordon Johndroe. Für US-Präsident George W. Bush droht die Krise Pakistans zum "absoluten Alptraum-Szenario" zu werden, kommentierte die "Washington Post". Schließlich sei der islamische Staat Atommacht und in wachsendem Maße Hochburg und Basis islamistischer und terroristischer Organisationen. "Pakistan am Abgrund" lautete die Schlagzeile der "Washington Times".
Noch am Freitag hatte US-Außenministerin Condoleezza Rice vergeblich telefonisch versucht, Musharraf von seinem Plan abzubringen. Rice ließ sich denn auch im Flugzeug von Istanbul nach Israel vor Reportern ihre Verbitterung über die Eigenwilligkeit des pakistanischen Generals deutlich anmerken, sprach mit verkniffenem Mund von einer "höchst bedauerlichen" Entscheidung. Ihr Sprecher Sean McCormack wurde noch deutlicher und kritisierte den "gravierenden Rückschritt" bei der Demokratisierung Pakistans.
Washingtons Pläne für Pakistan gescheitert
Mit der dramatischen Entwicklung in Pakistan scheint für Bush ein weiterer zentraler Baustein für die Schaffung einer neuen Weltordnung unter der Führung der USA zu zerbröckeln. Denn lange hatte Bush auf die "strategische Partnerschaft" zum Verbündeten Musharraf gesetzt. Mit zehn Milliarden US-Dollar (7 Milliarden Euro) seit 2001 suchte er den General zu stützen, in der Hoffnung, er werde das Land zur Demokratie zurückführen und zum Bollwerk gegen islamische Extremisten machen. In Wirklichkeit gehe es Musharraf vor allem um die Sicherung seiner Macht, ein Erstarken der Taliban und von El Kaida in den Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan habe er mit einer verfehlten Beschwichtigungspolitik billigend in Kauf genommen, analysierte die "New York Times".
Washington sei mit seinen Plänen für den politischen Prozess in Pakistan gescheitert, kommentierten viele US-Blätter. Die USA wollten zwar Bushs Vision von der Verbreitung der Demokratie auch in der islamischen Welt Genüge tun - gleichzeitig aber für den Machterhalt Musharrafs sorgen. "Das Weiße Haus sitzt in der Patsche (...). Der sorgsam erarbeitete Plan ist spektakulär gescheitert", so die "New York Times". Die Ironie sei, dass Pakistan zum Beleg für Bushs These werde, nach der Diktaturen Nährboden für wachsenden Extremismus seien, schrieb die "Washington Post". Pakistan sei nun auf dem Weg zu einer autoritären Militärregierung, die vehement um ihr Überleben kämpfen müsse, sagte Ex-US-Regierungsberater Bruce Riedel voraus.
Musharrafs Zeit läuft ab
Bush müsse nun davon ausgehen, dass Musharrafs Zeit ablaufe, "sei es, dass ihn das Volk oder die Militärs rauswerfen", meinte die Ex- Asienexpertin des Nationalen Sicherheitsrates, Xenia Dormandy. "Ich wäre überrascht, wenn er sich noch sechs Monaten halten könnte." Die Ex-Spitzenberaterin im Weißen Haus, die 2006 ihren Posten verließ, kritisierte in der "Washington Post" die "gemischten Botschaften" Washingtons an Musharraf, der deshalb wohl glaube, die Auswirkungen seiner Notstandsmaßnahmen überstehen zu können.
Bundeskanzlerin Angela Merkel wird am Freitag in Crawford (Texas) auf der Bush-Ranch einem Präsidenten begegnen, der vermutlich schwere Tage hinter sich haben wird. Die Krise in Pakistan hat das Weiße Haus alarmiert. An diesem Montag muss Bush versuchen, den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan bei seinem Besuch von einem türkischen Truppeneinmarsch in den kurdischen Teil des Iraks abzubringen. Und am Dienstag dann wird mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy ein neues Schwergewicht der internationalen Politik seine erste offizielle Aufwartung im Weißen Haus machen. Es spricht vieles dafür, dass Bush am kommenden Wochenende für Gesten der Freundschaft besonders dankbar sein könnte - und für gute Ratschläge offener als sonst.
Von Laszlo Trankovits, dpa
Quelle: ntv.de