Dossier

Nach Merkel-Besuch Palästinenser empört

von Ulrich W. Sahm

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ließ "jegliche Elemente grundsätzlicher Sittsamkeit und des Respekts vermissen. Sie war nicht höflich, wie man das von einem derart hochrangigen Besucher erwartet. Sie missachtete grundlegende Verhaltensregeln". Das erklärten enttäuschte "hochrangige" Vertreter der Autonomiebehörde der unabhängigen Nachrichtenagentur Maan in Bethlehem. Trotz eines Dementis des Präsidentenberaters sagte der Leiter von Maan, Raed Othman, gegenüber n-tv: "Ich verbürge mich für jedes Wort, das wir veröffentlicht haben."

Die Quellen im Präsidentenamt sagten weiter zu Maan: "Merkel tat alles, um das palästinensische Volk zu provozieren. Sie unterschätzte das Leiden dieses Volkes und stellte sich voll auf die israelische Seite."

Die Kanzlerin habe nur über den entführten israelischen Soldaten Gilad Schalit gesprochen und kein Wort über die rund 12.000 palästinensischen Gefangenen in Israel verloren, darunter Greise, Frauen und Kinder.

Merkel habe die Angehörigen der drei in Gaza und im Libanon festgehaltenen israelischen Soldaten getroffen, sich aber geweigert, Familien palästinensischer Gefangener zu treffen.

Ihre feindselige Haltung sei von Anfang an deutlich geworden. So habe sie sich geweigert, Präsident Abbas in Bethlehem zu treffen und auf dem Weg dorthin die Mauer zu sehen, "die unendliches Leid für die Palästinenser verursacht". Merkel habe argumentiert, dass der Anblick der israelischen Mauer sie an die Berliner Mauer erinnern könnte, "die sie täglich während ihrer Arbeit in Ostberlin gesehen habe", behaupteten palästinensische Quellen.

Um die Mauer, die "Bethlehem umgibt", nicht sehen zu müssen, habe sich Merkel auch geweigert, Vertreter christlicher Kirchen in Jesu Geburtsstadt zu treffen.

Im Gespräch bestätigte Osman allerdings, dass es nur entlang weniger hundert Meter zu Jerusalem eine Mauer bei Bethlehem gebe. Zudem seien zahlreiche Straßensperren in letzter Zeit geräumt worden. "Jetzt können palästinensische Autos Bethlehem problemlos in Richtung Hebron und Jericho verlassen." Noch zu Weihnachten hatten Betonblöcke die Straße nach Hebron versperrt. Die Palästinenser konnten die Sperren nur zu Fuß überwinden und mussten in Sammeltaxis reisen.

Ohne einen Grund anzugeben, habe Merkel auch ein Treffen mit Nichtregierungsorganisationen (NGOs) abgesagt, was üblicherweise zum Pflichtprogramm besuchender Politiker gehöre.

Während ihres Treffens mit Präsident Mahmud Abbas habe sie sich nur auf das Problem des Soldaten Schalit konzentriert und dem Friedenprozess oder israelischen Maßnahmen "keinerlei Beachtung" geschenkt. Trotz eines Beschlusses der EU, palästinensische Minister zu treffen, die nicht der Hamas angehören, habe Merkel sich geweigert, dies zu tun. "Damit handelte sie dem Trend der EU zuwider."

Unter dem Zwischentitel "Holocaust-Kater" zitierte die Agentur Zweifel palästinensischer Beamter an Merkels Fähigkeit, eine "faire Partei" im Friedensprozess abgeben zu können angesichts der einseitigen deutschen Politik. "Wie lange noch muss das palästinensische Volk den Preis für die Leiden der Juden und der Verbrechen an ihnen zahlen müssen?"

Nach der Veröffentlichung dieser Aussagen namenloser "hochrangiger Beamter im Präsidentenbüro" dementierte der Präsidentenberater Nimer Hammad diese Berichte und behauptete, dass sie nicht "die offizielle Position der palästinensischen Autonomiebehörde repräsentieren". Weiter berichtet die Agentur Maan, dass die Autonomiebehörde die Unterstützung der deutschen Republik für das palästinensische Volk zu schätzen wisse. Die Behörde respektiere die Bemühungen der Kanzlerin und der deutschen Regierung, die Rolle des Nahostquartetts wieder zu stärken.

Quelle: ntv.de

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