Dossier

"Mahnung gegen das Leugnen" Papst unter Druck

Benedikt XVI. will die Wogen glätten, die von ihm selbst mit erzeugt worden sind. Er wartete aber bis zum Mittwoch, um von höchster Warte aus gegen den Bischof und Holocaust-Leugner Richard Williamson Position zu beziehen, ohne ihn beim Namen zu nennen: Die Vernichtung der Juden sei "eine Mahnung gegen jedes Vergessen und Leugnen", die Juden hätten seine "volle Solidarität". Benedikt XVI. erinnerte so an den "höhnischen Mord an Millionen von Juden" - und hatte dabei Bilder von seinen Besuchen in Auschwitz vor Augen. Zuvor hatten über Tage hinweg Empörung und Unverständnis darüber hohe Wellen geschlagen, dass der deutsche Papst die Exkommunikation eines Mannes am vergangenen Samstag wieder zurückgenommen hatte, der den Holocaust leugnet.

Der sowieso schon mühsame Dialog zwischen Katholiken und Juden schien gefährdet. Das israelische Ober-Rabbinat fror die Kontakte zum Vatikan "unbefristet" ein und verlangte wenig verhüllt eine Rücknahme der heiklen päpstlichen Entscheidung. Als einen diplomatischen Schuss vor den Bug des Vatikans sagten die Rabbiner - allerdings noch vor Benedikts Erklärung - eine für März vorgesehene christlich-jüdische Dialogrunde im Vatikan ab. "Notwendig und willkommen", so nannte der Rabbiner von Rom, Riccardo Di Segni, dann, was Benedikt in Gedenken an den Holocaust zu sagen hatte: Das trage zu einer "Klärung" bei.

Auch wenn der Sprecher des Vatikans, Federico Lombardi, nun hofft, dass nach Benedikts versöhnlichen Worten die Brücken nicht abgebrochen sind - der Schaden im Gespräch zwischen Katholiken und Juden ist angerichtet, und das nur Monate vor der geplanten Reise Benedikts ins Heilige Land. Wie konnte dies passieren und so nahe am Holocaust-Gedenktag? Warum ließ er das heikle Rehabilitierungsdekret, auch wenn er es bereits unterschrieben hatte, nicht erst einmal auf seinem Schreibtisch im Vatikan liegen, als alle Welt über Williamson zu reden begann? Darüber rätseln Vatikan-Kenner auch noch Tage später, manche werten es als einen größeren Schnitzer des Vatikans. Möglicherweise sei Benedikt in der Sache schlecht beraten gewesen.

Gut, die lange abtrünnige Priesterbruderschaft soll sich nun zum Zweiten Vatikanischen Konzil bekennen und damit zur Versöhnung mit dem Judentum, verlangt Benedikt. Die Traditionalisten, die weltweit 600.000 Mitglieder haben, baten ihn zwar mittlerweile um Verzeihung für die Leugnung des Holocaust durch ihren Mitbruder. "Zu weich im Hinblick auf die Sache", meinte Roms Rabbiner zur Distanzierung: Sie bedeute nicht, dass die Traditionalisten die Leugnung verurteilten. "Das ist nicht meine Aufgabe, dafür habe ich nicht die Kompetenzen", so verteidigte sich der Leiter der Traditionalisten, Bernard Fellay.

Der Monsignore, der das alles ins Rollen gebracht hat, verfolgt den Streit derzeit von Argentinien aus. Dort lebt der Holocaust-Leugner Richard Williamson seit Jahren in einem Kloster. "Was die Gaskammern angeht, ändere ich meine Meinung nicht, ich bin auch nicht der einzige, der das sagt", so soll er nach einem Bericht des Mailänder "Corriere della Sera" sogar trotzig bekräftigt haben.

An der Haltung des deutschen Papstes zum Holocaust gab es nie Zweifel, womöglich breitete er seine Arme für die Traditionalisten aber zu übereilt aus. Er hat die Einheit der Kirche als Aufgabe vor Augen. Und er ließ über Jahre hinweg auf eine Wiederaufnahme der 1988 exkommunizierten Anhänger des später gestorbenen Leiters des Bruderschaft, Marcel Lefebvre, hinarbeiten. Die Frage bleibt, ob seine offizielle Stellungnahme ausreicht, um alle Kritiker wieder milde zu stimmen - oder ob der "Fall Williamson", der dem Vatikan Schaden zugefügt hat, erst einen richtigen Schlussstrich braucht.

Von Hanns-Jochen Kaffsack, dpa

Quelle: ntv.de

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