Dossier

Politischer Postenschacher Paris soll Metropole werden

Der Pariser Bürgermeister Bertrand Delano hat gewissen Grund, auf seine Amtskollegen in Berlin oder London neidisch zu sein. Zwar hat Paris weniger Bausünden in der Innenstadt, mehr Sterne-Restaurants und einen Riesenerfolg mit einem cleveren Leihfahrrad-Angebot, doch im Vergleich zu anderen Weltmetropolen ist die französische Hauptstadt eigentlich ein Nest. Auf den nur etwa 100 Quadratkilometern leben etwa 2,2 Millionen Einwohner. Berlin ist von der Fläche her etwa neunmal so groß und hat 3,5 Millionen Einwohner. Und Delanos Amtskollege in London, Ken Livingstone, ist immerhin für 7,5 Millionen Einwohner zuständig.

Darüber, dass Paris etwas aufzuholen hat, sind Regierung und Opposition sich in Frankreich grundsätzlich einig. "Paris riskiert, von den anderen Metropolen überholt zu werden", meint der konservative Senator Philippe Dallier. Der sozialistische Bürgermeister Delano meint, die Hauptstadt habe ihre Umgebung allzu lange als Entsorgungsgebiet betrachtet, "für alles, was Paris nicht haben wollte: Müllverbrennung, Friedhöfe und Sozialwohnungen".

Chefsache "Grand Paris"

Wie das neue größere Paris am Ende aussehen soll, ist derzeit ein großes Streitthema in der Hauptstadt. Hinter allem steht auch ein politischer Postenschacher. Eigentlich hatte sich Delano das Thema "Paris Metropole" herausgepickt, um sich als Parteichef bei den Sozialisten und am besten gleich auch als Präsidentschaftskandidat 2012 zu profilieren. Der konservative Präsident Nicolas Sarkozy konterte, indem er "Grand Paris" zur Chefsache machte. Kürzlich setzte er eigens einen Staatssekretär für die Entwicklung der Hauptstadtregion ein, um Delano den Wind aus den Segeln zu nehmen.

"Klein-Paris" ist derzeit von einem dicht befahrenen Autobahn-Ring umschlossen und von mehr oder weniger heruntergekommenen Vorstädten umgeben. Innerhalb der sogenannten Priphrique ist der Quadratmeterpreis auf mindestens 5000 Euro gestiegen. Außerhalb ist in manchen Vorstädten fast jeder Zweite arbeitslos. Wer von einem Vorort mit öffentlichen Verkehrsmitteln in den Nachbarvorort will, muss über Paris fahren. Gemeinsame Projekte zwischen Paris und den Vorstädten - etwa die Verlängerung einer Metrostrecke - sind aufwendig, weil es jede Menge Verwaltungsebenen, aber kein Gesamtkonzept gibt.

Vorstädtisches Misstrauen gegen Pariser

Wer in der Vorstadt lebt, steht den Parisern oft misstrauisch gegenüber. "Ich bin nicht aus Paris, sondern aus Neun-Drei", heißt es etwa auf die Frage nach der Herkunft. Die Zahl 93 steht dabei für die Nummer des Dpartments, die sich auch auf den Nummernschildern findet. Pariser sind derzeit noch am Nummernschild mit der 75 zu erkennen. Aber es gibt keineswegs nur sozial vernachlässigte Vorstädte rund um Paris, sondern auch Orte wie Neuilly, wo jede Menge Reiche und Prominente wohnen und Sarkozy fast zwei Jahrzehnte lang Bürgermeister war. Dort stoßen jegliche Fusionspläne auf große Skepsis, denn schließlich will die Stadt ihre Steuereinnahmen nicht mit den ärmeren Vororten teilen.

Falls sich die Idee eines Groß-Paris durchsetzt, so ist es letztlich nur eine Rückkehr zu einer alten Struktur: Das alte Dpartement Seine, das Paris mit seinem Umland vereinte, war bereits kurz nach der Französischen Revolution geschaffen worden und wurde erst 1968 wieder abgeschafft.

Von Ulrike Koltermann, dpa

Quelle: ntv.de

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