Dossier

"Wie zehnjährige Kinder" Polizisten bilden Afghanen aus

Moayad ist mit Begeisterung bei der Arbeit.

Moayad ist mit Begeisterung bei der Arbeit.

(Foto: dpa)

20 engagierte Polizisten aus Niedersachsen unterrichten in Afghanisten Rekruten und das gestaltet sich nicht immer einfach. Es herrscht ein eher "sonderpädagogisches Niveau".

Kurasch Moayad wusste, dass mindestens 60 Prozent seiner Polizeischüler in Afghanistan nicht schreiben und lesen können. Doch was ihn wirklich in der Ausbildungsklasse in Masar-i-Scharif erwartete, konnte sich der Beamte des Landeskriminalamtes in Hannover nicht vorstellen.

"Wir haben es eigentlich mit zehnjährigen Kindern zu tun", sagt der 38-Jährige. Viele der angehenden afghanischen Polizisten hätten Probleme, zu springen oder einfache Muster zu malen. Die Belastungsfähigkeit der Polizisten sei nicht besonders hoch, die Motorik schlecht trainiert. "Das hat eigentlich sonderpädagogisches Niveau", meint der Deutsch-Perser, der erst Ende Januar aus dem Norden Afghanistans zurückkam. Rund 20 niedersächsische Beamten wurden bislang als Polizeiausbilder nach Afghanistan geschickt. Für den 38 Jahre alten LKA-Beamten Moayad scheint die Anstrengung ein besonderer Ansporn zu sein. Voller Enthusiasmus erzählen er und auch seine Kollegen Kathrin Pfeiffer und Stefan Habermann, dass sie jederzeit wieder zum Einsatz am Hindukusch bereit seien.

"Die hängen an unseren Lippen"

"Die Afghanen sind dankbar für die Ausbildung", sagt Habermann, der in der Krisenregion eng mit der heimischen Polizei zusammenarbeitete, sonst aber Polizist in Delmenhorst ist. "Die hängen an unseren Lippen, die wollen lernen, und wir Deutschen haben einen super Ruf", berichtet auch LKA-Polizist Moayad.

Pfeiffer posiert mit Rekrutinnen, die in der Drogenbekämpfungseiheit tätig sein werden.

Pfeiffer posiert mit Rekrutinnen, die in der Drogenbekämpfungseiheit tätig sein werden.

(Foto: dpa)

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) will sich jetzt selber ein Bild von dem mühsamen Polizeiaufbau machen. Er fliegt an diesem Dienstag zusammen mit seinem Amtskollegen aus Mecklenburg-Vorpommern nach Afghanistan. Die Bundesregierung hatte vor kurzem beschlossen, die Zahl der deutschen Polizeiausbilder in Afghanistan auf 200 aufzustocken. Schünemann geht das nicht weit genug. Er hält bis zu 400 Polizisten für notwendig, sieht dabei die Verantwortung aber zuerst bei der Bundespolizei. Der Bund solle eine eigene Sondereinheit aufbauen mit Beamten, die auf die speziellen Probleme bei der Polizeiausbildung der Afghanen vorbereitet werden, sagt Schünemann. "Wir werden in den nächsten Jahren auch noch in anderen Länder gefordert sein."

Sogar Eierlaufen gehört zum Programm

Fesseln, Durchsuchen, Checkpoint-Training und Schießen - das sind die Kernbereiche der Basisausbildung für afghanische Polizeischüler. Dabei mussten Moayad und seine Kollegen zunächst mit einfachen spielerischen Übungen vorgehen, sogar Eierlaufen gehörte zum Programm. Auch ein Memory-Spiel habe er gebastelt, sagt Moayad. Bei vielen Afghanen sei die Konzentrationsfähigkeit nicht besonders gut, erzählt auch die 28 Jahre alte Polizistin Pfeiffer - die einzige weibliche Beamtin aus Niedersachsen, die in Afghanistan war.

Was die Polizeiausbilder beim Training erlebt haben, hört sich abenteuerlich an. "Man denkt, die Afghanen haben 30 Jahre Krieg erlebt und sind mit der Kalaschnikow aufgewachsen. Aber so ist das auch wieder nicht", sagt Moayad. Er habe eine Woche lang mit den Rekruten die Waffenhandhabung geübt, aber auf dem Schießplatz habe er dann Übungen abbrechen müssen.

Polizisten fühlen sich sicher

Als besonders bedrohlich empfanden die drei Polizisten ihren Einsatz aber nicht - trotz der Terror-Anschläge und der kriegerischen Auseinandersetzungen mit Taliban, trotz toter Soldaten und Zivilisten. "Ich habe mich nie unsicher gefühlt", sagt Pfeiffer. Allerdings verlassen die Sicherheitskräfte ihr Camp auch kaum. "Am öffentlichen Leben nehmen wir nicht teil - aus Sicherheitsgründen", sagt Moayad. Dennoch kann der Aufenthalt in dem fremden islamischen Land zu einer Belastung werden - und das nicht nur wegen der Gefahren. "Im Sommer ist alles ockerfarben, die Landschaft, die Häuser, die Uniformen, das Trainingsgelände. Es setzt einigen schon zu, dass es gar kein Grün gibt."

Quelle: ntv.de, Monika Wendel, dpa

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