Dossier

Grauen im Gerichtssaal Prozess gegen Lubanga

Das Grauen war zum Greifen nah. Mit jedem Satz von Chefankläger Luis Moreno-Ocampo vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) schien es zu wachsen. "Eben noch hat ein Mädchen eine Waffe gegen Unschuldige gerichtet, jetzt muss es seinen Kommandeuren als Sexsklavin zu Willen sein." Fast zwei Stunden dauert Moreno-Ocampos Begründung der Anklage gegen einen der gefürchtetsten Milizenchefs des Kongos: Thomas Lubanga soll die Verantwortung dafür tragen, dass im Ituri-Konflikt im Nordosten des Kongo Hunderte Jungen und Mädchen mit unvorstellbarer Brutalität als Soldaten missbraucht und immer wieder vergewaltigt wurden.

Regungslos, scheinbar völlig gefühllos hört der Angeklagte am Montag im ersten Prozess des "Weltstrafgerichts" überhaupt den Vorwürfen von Kriegsverbrechen gegen Kinder in mehreren Fällen zu. "Zu diesem Zeitpunkt möchte unser Klient gern auf unschuldig plädieren", hat seine Anwältin Catherine Mabille vor den Ausführungen des Chefanklägers zu Protokoll gegeben. Moreno-Ocampo hatte das nicht anders erwartet: "Wir werden seine Schuld vor aller Welt beweisen, seien Sie sicher."

Bis zu 30 Jahre Gefängnis

Dass ihm dies zweifelsfrei gelingt, so dass Thomas Lubanga am Ende verurteilt und für Jahrzehnte eingesperrt werden kann, hoffen nicht nur Menschenrechts- und Kinderschutzorganisationen in aller Welt. Über Satellitenanlagen ist der erste Prozesstages vor dem IStGH eigens in die Demokratische Republik Kongo und zahlreiche andere Länder Afrikas sowie Südamerikas und Asiens übertragen worden. "Von größter Bedeutung ist das für die Menschen im Osten Kongos", sagt ein Sprecher der Organisation Human Rights Watch. "Sie müssen erleben, dass ihnen hier in Den Haag auch wirklich Gerechtigkeit widerfährt."

Bis zu 30 Jahre Gefängnis will der argentinische Chefankläger am Ende der monatelangen Beweisaufnahme für Lubanga verlangen. Dabei werden Zeugen auftreten, kündigte er an, "die ihre Angst schildern werden, die Schreie, das Morden". In zehn Ausbildungslagern der Miliz "Union Kongolesischer Patrioten" (UPC) in den Wäldern der Ituri- Provinz sollen die Kinder aus Lubangas Hema-Volk darauf "abgerichtet" worden sein, jeden Menschen des als Feind geltenden Lendu-Volkes umzubringen.

" zu Tode geprügelt"

"Jede Hema-Familie musste Lubanga mindestens ein Kind zur Verfügung stellen", sagt der Staatsanwalt. "Wer sich weigerte, wurde erschossen oder zu Tode geprügelt." Diesen Satz sagt er so oder ähnlich immer wieder. Wenn Kinder ihren Milizkommandeuren nicht widerspruchslos gehorchten, seien sie zu Tode geprügelt worden - "von anderen Kindern und vor den Augen aller Lagerinsassen". Unter ständigen Todesdrohungen seien Mädchen und Jungen unter 15 Jahren - viele seien nicht einmal zwölf gewesen - in die Dörfer des Lendu-Volkes getrieben worden, wo sie plündern, brandschatzen und morden mussten.

"Wer nicht mitgeplündert hat, bekam nichts zu essen", berichtet Moreno-Ocampo. Und er zeigt Videos und Fotos von Kinder, die klein und schmächtig wirken im Vergleich zu ihren Kalaschnikow- Sturmgewehren. Auf einem Video schaut Lubanga lachend zu, wie sich ein schmächtiger Junge abmüht, sein Gewehr auf einen Jeep zu laden. "Ein Junge versuchte, sich krankzumelden", sagt der Chefankläger in seinem stark spanisch gefärbten Englisch. "Ein Kommandeur schlug mit einem Stock auf ihn ein, und sagte: "Hier, das ist Deine Medizin"."

Doch am schlimmsten hätten die Mädchen gelitten. Viele von ihnen würden sich nie mehr zurück in ihre Dörfer trauen, aus Scham und aus Angst, geächtet zu werden. Sie seien nicht nur gezwungen worden, andere Kinder sowie Frauen und Greise zu töten. Sie hätten nach dem Morden für die Kommandeure erst kochen müssen und dann seien sie vergewaltigt worden, oft von mehreren Männern zugleich. Viele dieser Ex-Kindersoldatinnen versuchten heute, sich in Kongos Hauptstadt Kinshasa als Prostituierte durchzuschlagen.

Drei weitere Kinderschänder angeklagt

"Auch für sie führen wir diesen Prozess, vor aller Welt." Und es soll nicht beim Verfahren gegen Lubanga bleiben. Drei weitere mutmaßliche Kinderschänder aus dem Kongo sind bereits angeklagt, zwei von ihnen in Untersuchungshaft. Etliche weitere Anklagen wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind in Vorbereitung.

Und Moreno-Ocampo will es keineswegs bei Anklagen gegen Milizenchefs oder Rebellenführer belassen, sondern auch gegen mutmaßlich straffällige Staatsoberhäupter vorgehen. Gegen den Präsidenten Sudans, Omar al-Baschir, den er der Verantwortung für Völkermord in der Krisenregion Darfur verdächtigt, hat er längst Haftbefehl beantragt.

Quelle: ntv.de, Thomas Burmeister, dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen