Dossier

Kreml-Lektion für die Medien Putin voll im Saft

Amtsmüdigkeit gab Wladimir Putin auf seiner letzten großen Pressekonferenz als Kremlchef keinen Moment zu erkennen - trotz der rekordverdächtigen Dauer von 4 Stunden und 40 Minuten. Vor mehr als 1300 Journalisten räumte er jeden Zweifel an seinem Führungswillen aus. Wenn das Volk am 2. März seinen Wunschnachfolger Dmitri Medwedew zum Präsidenten wähle, werde er wie bisher mit "Hingabe" arbeiten - dann unter ihm als weisungsgebundener Ministerpräsident. In gewohnter Schärfe lehnte Putin die US- Raketenabwehr ebenso ab wie die Unabhängigkeit des Kosovos. Er nutzte den Tag mit den Journalisten aber auch für eine Lehrstunde in russischer Demokratie, zur Wahlwerbung für Medwedew - und für Persönliches.

Seine Frau Ljudmilla sei "nicht sehr froh gewesen" über seine Entscheidung, als Ministerpräsident weiterzumachen, verriet der ansonsten in Privatdingen verschlossene Putin. Und nein, er werde nicht wie bei Staatsdienern sonst üblich ein Bildnis des neuen Staatsoberhauptes in seinem Büro anbringen, antwortete er einem Lokaljournalisten. "Es verbindet uns anderes", erklärte Putin angesichts seiner langen Freundschaft mit Medwedew. "Ich vertraue ihm, er ist eine ehrliche Persönlichkeit und gut ausgebildet. Ein würdiger Präsident. Und auch die Chemie zwischen uns stimmt."

Zwischen ihm und Medwedew habe es in den vergangenen Jahren "unterschiedliche Ansätze und Vorgehen" gegeben, räumte Putin ein. Dabei habe er, Putin, selbst Meinungen oft korrigieren müssen. Nun solle Medwedew als Kremlchef das letzte Wort und die Verantwortung tragen. "Wir haben genügend Vollmachten und werden das gut verteilen", sagte Putin. Er wolle sich als Ministerpräsident künftig auf Haushaltsfragen, auf das Gesundheitswesen, den Umweltschutz und auch auf die Kultur konzentrieren. Solange er seine Ziele verwirklichen könne, werde er diese Form der Doppelherrschaft mitmachen.

Nur gelegentlich sprachen Journalisten kritische Punkte an. Sie erinnerten an die Vorwürfe der Wahlfälschung bei der Dumawahl im Dezember, die Gewalt an vielen Schulen und den "Mangel an moralischer Erziehung". Doch Putin gab sich stets schlagfertig. "Es gibt Probleme, aber das ist nicht die Apokalypse", sagte er auf eine Frage zur Schulpolitik. Es gebe auf vielen "Feldern viel zu ackern", doch sei mit steigenden Löhnen, starkem Wirtschaftswachstum und steigenden Geburtenzahlen schon viel erreicht. Das Volk sei zufrieden mit dem Kurs, weshalb auch der Wahlkampf ruhig sei: "Und Demokratie ist die Macht des Volkes!", belehrte Putin die Reporter.

Wer den bestens aufgelegten Putin auf dem Podium erlebte, konnte seine Antworten glatt als Antrittsrede des neuen Ministerpräsidenten verstehen. Mit einer neuen Regierungsmannschaft wolle er Probleme wie das Rentensystem, Armut, Korruption, die Inflation und den Bevölkerungsschwund im Fernen Osten angehen. Nein, es werde keine Rubelentwertung geben. Ja, Russland strebe eine Truppenreduzierung an. "Wir brauchen eine kompakte Truppe, keine armen Bettler, die unmotiviert sind", sagte Putin.

Dutzende linientreue Medienarbeiter nutzten den Tag in Moskau auch, um Putin für aus ihrer Sicht stabile acht Jahre zu danken. Aus Tschetschenien und anderen Konfliktregionen waren Kollegen angereist, um Fortschritte im Nordkaukasus zu loben. Eine Frau von der Zeitschrift "Chanson" wollte Putin zum Valentinstag einen persönlichen Brief überreichen.

Putins eigene Bilanz nach seiner zweiten und laut Verfassung letzten Amtszeit fiel so aus: "Die ganzen acht Jahre habe ich wie ein Sklave von morgens bis abends geschuftet. Ich habe alle Ziele erreicht. Ich sehe keine ernsthaften Misserfolge." Sein Auftritt endete wie ein gutes Theaterstück - mit frischem Applaus.

Von Ulf Mauder, dpa

Quelle: ntv.de

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