Dossier

Zivilrechtler für den Kreml Putins Wunschkandidat

Von der früheren Zarenstadt St. Petersburg in den Moskauer Kreml führt nicht nur die Erfolgsspur des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Nun wurde der Vizeregierungschef Dmitri Medwedew, der ebenfalls aus St. Petersburg stammt, zum Nachfolger von Putin an die Staatsspitze gewählt. Der 42-Jährige ist Putins Wunschkandidat und galt schon vor der Wahl als klarer Favorit. In ihrer Heimatstadt ist man stolz auf die prominenten Söhne. So wirbt zum Beispiel die staatliche Universität im Internet bereits auf der Auftaktseite mit einem Foto von Medwedew.

"Er war ein guter Student, und nebenbei hat er im Kraftsport noch einige Preise für die juristische Fakultät gewonnen", erinnert sich der Dekan Nikolai Kropatschow. Medwedew studierte dort bis 1987 Jura und promovierte in Zivilrecht. Anschließend lehrte er bis 1999 als Dozent an der juristischen Fakultät. Medwedew kenne sich vor allem im Römischem Recht aus, meint ein damaliger Student: "In den geräuschvollen Hörsälen hatte er es aber mit seiner leisen Stimme schwer. Zudem sprach er als Dozent oft phrasenhaft und wehrte viele Anfragen von Studenten mit dem Satz ab: 'Das ist Ihr Problem'."

30 Jahre auf 40 Quadratmetern

Zu dieser Zeit wohnte Medwedew noch bei seinen Eltern im südwestlichen Stadtteil Kuptschino. Die Gegend ist kein Vorzeigeviertel für die sonst pittoreske Metropole am Finnischen Meerbusen. In der Plattenbausiedlung wuchs der am 14. September 1965 geborene Dmitri Anatoljewitsch Medwedew als Einzelkind einer Sprachwissenschaftlerin und eines Maschinenbauprofessors auf. Die Wohnung sei zwar für damalige Verhältnisse modern, aber nicht besonders groß gewesen, erinnert sich Medwedew in einem aktuellen Interview mit dem Politmagazin "Itogi": "Auf diesen 40 Quadratmetern habe ich 30 Jahre lang gelebt."

Gespielt habe er hinter dem Haus: "Der Hof ist eine gute Schule fürs Leben." Zwei Dinge habe er in seiner Jugend unbedingt besitzen wollen, erzählt Medwedew: "Echte Bluejeans und Schallplatten. Besonders von Pink Floyds "The Wall" habe ich geträumt. Aber bei Schwarzmarktpreisen von 200 Rubeln, damals eineinhalb Monatsgehälter meines Vaters, war die LP unerschwinglich." Die frühere Nachbarin Vera Borisowna zeichnet ein freundliches Bild des Kandidaten: "Er war ein braver Junge und hat seiner Mutter nie widersprochen."

"Höflich, fleißig und pünktlich"

Auch eine seiner damaligen Lehrerinnen an der Schule "Nummer 305", Vera Smirnowa, schwärmt: "Dima war höflich, fleißig und pünktlich." Aber zumindest ab der siebten Klasse interessierte sich "Dima" nicht nur für Mathematik und Erdkunde, sondern auch für seine Mitschülerin Swetlana Linnik: 1989 heiratete er seine Jugendliebe. Mit der Pädagogin, die in einer Militärfamilie aufwuchs, hat Medwedew seit 1996 den Sohn Ilja. Kurz vor der Hochzeit habe er sich taufen lassen, erzählte Medwedew dem Magazin: "Ganz heimlich, mit einem Freund."

Während seiner Dozententätigkeit an der Universität arbeitete er parallel als Berater des damaligen Oberbürgermeisters Anatoli Sobtschak. In seinem damaligen Arbeitszimmer im Stadtparlament mit Blick auf den prächtigen Isaaksplatz traf er erstmals Putin, der das Komitee für Auswärtige Angelegenheiten leitete. Eine schicksalhafte Begegnung: Als Putin 1994 stellvertretender Oberbürgermeister wurde, machte er den Doktor für Rechtswissenschaften zu seinem Berater.

Auch nach seinem Wechsel nach Moskau 1996 förderte Putin den Landsmann aus der nördlichsten Millionenstadt der Welt - bis heute. "Wir liegen eben auf einer Wellenlänge", sagte der Kremlchef einmal. Medwedew meint im "Itogi"-Magazin, er besitze nicht viele Freunde: "Der engste Kreis hat sich in der Schule und der Universität gebildet. Heute sind das etwa zehn Menschen." Putin dürfte dazugehören.

Von Wolfgang Jung und Julia Golobokowa, dpa

Quelle: ntv.de

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