"Abendland in Christenhand" Rechte Parolen dominieren
28.05.2009, 15:50 UhrDer EU-Wahlkampf in Österreich könnte schmutziger nicht sein. Mit ausländerfindlichen Parolen ziehen die rechten Parteien Wähler auf ihre Seite und denken dabei nicht an Sitze in Brüssel.
In Österreich droht der Wahlkampf für die Europawahl am 7. Juni zu einer Schlammschlacht zu werden, die von der zunehmend nach rechts driftenden Freiheitlichen Partei ausgelöst wurde. Schon seit Monaten wirbt die Partei, die einst von dem im Vorjahr tödlich verunglückten Rechtspopulisten Jörg Haider geführt wurde, vor allem in Wien mit Parolen, die nach Meinung von Experten an den Straftatbestand der Volksverhetzung grenzen. Der Lohn: Nach neuesten Umfragen könnte die FPÖ am 7. Juni ihre Stimmenzahl verdreifachen. Zusammen mit der EU-kritischen Gruppierung um den Journalisten Hans-Peter Martin und dem rechten BZÖ-Bündnis wären die offenen EU-Gegner dann voraussichtlich die stärkste Gruppe unter den 17 Abgeordneten der Alpenrepublik.
Schon vor fünf Jahren warb die FPÖ mit ausländerfeindlichen Parolen wie "Daham (daheim) statt Islam". Doch inzwischen hat sich der einst als Haider-Verschnitt abgetane FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache noch einen Schritt weiter vorgewagt: "Abendland in Christenhand" fordern er und sein Spitzenkandidat Andreas Mölzer da etwa auf Plakaten, oder "Echte Volksvertreter, statt EU-Verräter". Auf anderen Plakaten verlangt die FPÖ schließlich "Soziale Wärme statt EU-Konzerne" und "Unser Land für unsere Kinder". In jedem Fall droht die FPÖ den anderen Parteien mit einem "Tag der Abrechnung" am 7. Juni.
Wettern gegen die Türkei und Israel
Angesichts dieser Wortwahl warf der ÖVP-Spitzenkandidat und Ex-Innenminister Ernst Strasser Strache vor, er bewege sich "am Rande des Nazismus". Doch in ihrem Versuch, die notorisch EU-feindlich gesinnten FPÖ-Wähler für den 7. Juni zu mobilisieren, setzten Strache und seine Strategen noch eins drauf: In der immerhin mit einer Auflage von 800.000 Expemplaren erscheinenden und kaum weniger EU- ablehnenden "Kronenzeitung" veröffentlichte die FPÖ eine Anzeige, in der Strache ein "FPÖ-Veto gegen EU-Beitritt von Türkei und Israel" versprach, obwohl ja der Beitritt Israels zur EU überhaupt nicht zur Diskussion steht. Auch wettert das "Freiheitliche" Duo gegen den "EU-Asyl-Wahnsinn". Zusätzlich löste der blond-blauäugige Wiener Zahntechniker Empörung aus, als er bei Wahlkampfauftritten mit einem großen Kruzifix erschien und sich damit als Bewahrer des christlichen Abendlandes hinstellte.
Diese Aktionen lösten bei den anderen Parteien "Abscheu und Empörung" aus. Österreichs Kanzler Werner Faymann nannte Strache eine "Schande und einen Hassprediger", ÖVP-Spitzenkandidat Strasser nannte die Aktion "unappetitlich und verabscheuungswürdig" und führende Kirchenvertreter verurteilten den Missbrauch des Kreuzes. Die deutlichsten Worte fand der Präsident der Wiener Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, der den Generalsekretär der FPÖ, Herbert Kickl indirekt mit NS-Propagandaminister Josef Goebbels verglich.
Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit wächst
Muzicant warnte öffentlich vor einem Abrutschen Österreichs in den Rechtsextremismus. Tatsächlich wurden in den vergangenen Monaten in der Alpenrepublik deutliche Anzeichen für einen neu erwachenden Antisemitismus und krasse Ausländerfeindlichkeit registriert. Die Zahl der gerichtlich verfolgten Fälle von strafrechtlich relevantem Rechtsextremismus hat sich etwa seit 2007 wieder verdreifacht. Zuletzt erregten Jugendliche Aufsehen, die in Ebensee, einem Außenlager des ehemaligen KZ Mauthausen, eine Gruppe jüdischer, ehemaliger Opfer attackierten.
Tatsächlich haben die großen Parteien nach Meinung von österreichischen Politologen einen nicht unerheblichen Anteil an der Entwicklung vor allem der FPÖ. Sie hätten die Rechtsaußen-Partei "nicht deutlich genug ausgegrenzt", meint etwa der Politologe Peter Filzmaier. Außerdem hätten sie sich in den vergangenen Jahren zu stark von Europa abgekehrt. Bis auf die österreichischen Grünen könnten inzwischen praktisch alle österreichischen Parteien als Euro-skeptisch gelten. Für die FPÖ und Strache, die seit Jahren Österreichs Austritt aus der EU fordern, gehe es aber bei ihrer Kampagne eigentlich gar nicht um die Europawahl: "Strache ist es vermutlich Wurscht, ob er einen Sitz mehr oder weniger in Brüssel gewinnt. Er denkt längst an die Landtagswahl in Wien 2010", so Filzmaier. Im nächsten Jahr will Strache nämlich die jahrzehntelange absolute Mehrheit der "Roten" SPÖ im Wiener Rathaus brechen und selbst Bürgermeister werden.
Quelle: ntv.de, Christian Fürst, dpa