Dossier

In der Ukraine gärt es Rechte gegen Janukowitsch

Die Situation in der Ukraine ist angespannt: Nationalisten hetzen gegen den pro-russischen Janukowitsch und fordern eine starke Hand. Der Staatschef steht vor einer heiklen Aufgabe.

Janukowitsch muss das gespaltene Land einen.

Janukowitsch muss das gespaltene Land einen.

(Foto: REUTERS)

Der neue ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch muss bereits kurz nach seinem Amtsantritt an vielen Fronten kämpfen. Die Wirtschaftslage ist desaströs, zudem muss er den Spagat zwischen der EU und Russland schaffen. Und im Innern gärt es. Die traditionelle Spaltung in den national geprägten Westen und den russischsprachigen Osten und Süden erschwert den Fortschritt. "Janukowitsch ist kein Ukrainer", hetzen Rechtsextremisten bereits gegen den pro-russischen Staatschef. Sie behaupten, dass der im Osten aufgewachsene Janukowitsch die Ukraine an Moskau "verkaufen" will.

Vor allem rund um die malerische Renaissance- und Barockstadt Lwow (Lemberg) nahe der Grenze zum EU-Mitglied Polen verweigern sich viele Menschen allem Russischen. Bei der Stichwahl um das Präsidentenamt im Februar erhielt Janukowitsch hier weniger als zehn Prozent der Stimmen. Viele, die vor fünf Jahren die demokratische Orangene Revolution unterstützten, hätten sich desillusioniert von der Politik verabschiedet, warnte jüngst das Magazin "Profil" und erinnerte an die Weimarer Republik.

Idealer Nährboden für Rechtsextremismus

Auch damals ergriffen etliche Bürger die "Flucht vor der Freiheit". Nicht zuletzt unter dem Eindruck von Arbeitslosigkeit und Armut kehrten Anfang der 1930er Jahre viele Deutsche der Demokratie den Rücken, vergleicht das Magazin. Wie in Deutschland vor der Machtübernahme Adolf Hitlers sähen heute auch im zweitgrößten Flächenland Europas etliche Menschen keine Perspektive für sich - ein idealer Nährboden für rechtsextreme Gruppen wie die in Lwow beliebte Allukrainische Vereinigung Swoboda.

Schon werden Forderungen nach einem starken Präsidenten wieder laut. "Wer hat Ihnen gesagt, dass das Volk keine Diktatur will?", fragte einst gar Julia Timoschenko, bis vor Kurzem Regierungschefin. Auch der Führungsstil der "orangenen" Ikone gilt als autoritär.

Der ukrainische Staatschef besucht Russland.

Der ukrainische Staatschef besucht Russland.

(Foto: picture alliance / dpa)

In der Westukraine genießen seit jeher diejenigen großes Ansehen, die sich gegen den Einfluss Moskaus stellen. "Unser Held ist Stepan Bandera", sagt der Zahnarzt Pjotr stellvertretend für viele. An den Separatisten, dessen Anhängern die Schuld an der Ermordung tausender Juden und Polen im Zweiten Weltkrieg gegeben wird, erinnert in Lwow seit gut zwei Jahren ein Denkmal. An der Seite Nazi-Deutschlands kämpfend, hatte Bandera die Ukraine für unabhängig erklärt. 1959 ermordeten ihn sowjetische Agenten in seinem Münchner Exil.

Streit um Separatisten

Gar einen internationalen Skandal löste der abgewählte Präsident Viktor Juschtschenko aus, als er in einer seiner letzten Amtshandlungen Bandera posthum zum "Helden der Ukraine" ernannte. Das Nachbarland Polen, mit dem die Ukraine 2012 gemeinsam die Fußball-Europameisterschaft - auch Lwow ist Spielort - ausrichtet, sowie die EU und das Simon-Wiesenthal-Zentrum in Jerusalem protestierten vehement. Juschtschenkos Nachfolger Janukowitsch hat aber noch nicht entschieden, ob er die Ehrung zurücknimmt.

Lwows Bürgermeister Andri Sadowy ficht die Kritik nicht an. "Bandera hat sein Leben für die Unabhängigkeit gegeben", sagt er und reckt sein Kinn kampfeslustig vor. "Wir müssen die Helden ehren, die ihr Blut für unser Land vergossen haben." Zwar ist Sadowy kein Rechtsextremist, doch kennt er die Gefühle seiner Bürger. "Banderstadt" nennen viele Einwohner Lwow, so steht es auch auf den Transparenten der Fußballfans. Überall in der Stadt mit 730.000 Einwohnern kleben Plakate mit dem Konterfei Banderas: ein stechender Blick, markante Gesichtszüge, Geheimratsecken.

Land ist tief gespalten

"Die Spaltung des Landes hat ihren Ursprung tief in der ukrainischen Psyche", sagt der Historiker Wassil Rassewitsch von der Nationalen Akademie der Wissenschaften in Kiew. Und Lwows Bürgermeister Sadowy bittet fast flehentlich: "Das Wichtigste ist Einheit, ist, endlich unsere gemeinsame Geschichte zu finden."

Janukowitsch muss die traditionelle Teilung überwinden, will er die nationalistischen Tendenzen endlich in die Schranken weisen. Für den Präsidenten ist das ein heikles Unterfangen: Bereits die Kräfte der Orangenen Revolution um Juschtschenko und Timoschenko fanden kein Erfolgsrezept - und wurden nicht zuletzt deshalb abgewählt.

Quelle: ntv.de, Benedikt von Imhoff, dpa

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