Machtwechsel in Chile nicht sicher Regierungskandidat holt auf
11.01.2010, 08:08 Uhr
Sebastián Piñera (rechts) und Eduardo Frei: Wer wird Chile in den kommenden Jahre regieren?
(Foto: dpa)
Eine Woche vor der Stichwahl um das chilenische Präsidentenamt am 17. Januar erscheint das Rennen um das höchste Staatsamt wieder offen. Lange Zeit hatte es so ausgesehen, als ob der konservative oppositionelle Unternehmer Sebastián Piñera auf einen sicheren Sieg und damit einen historischen Wachwechsel im Präsidentenpalast La Mondeda in Santiago zusteuern würde. In Umfragen lag er stets mehrere Prozentpunkte vor dem Regierungskandidaten Eduardo Frei.
Aber der Christdemokrat Frei, der Chile schon einmal von 1994 bis 2000 regierte, hat sich in den vergangenen Wochen beharrlich nach oben gearbeitet. Piñera hatte in der ersten Wahlrunde im Dezember mit 44,05 Prozent zwar die meisten Stimmen erzielt, die für einen sofortigen Sieg notwendige absolute Mehrheit aber verpasst. Deshalb muss er nun gegen den im Dezember zweitplatzierten Frei antreten, der auf 29,60 Prozent kam. Das Mitte-Links-Bündnis Concertación aus Christdemokraten und Sozialisten sowie zwei kleineren Parteien, das Chile schon seit 20 Jahren ununterbrochen regiert, sei verschlissen und verbraucht, kritisierte Piñera. Aber vielleicht hat er sich zu früh gefreut.
Disziplinierte Wähler
Für die erfolgreiche Aufholjagd Freis werden drei Gründe genannt. Zunächst sprach sich die evangelische Kirche Chiles ausdrücklich für die Wahl Freis aus. Etwa 1,3 Millionen Wahlberechtigte werden dieser Glaubensgemeinschaft zugerechnet. Und sie gelten als diszipliniert. Die Evangelische Kirche befürchtet ein Übergewicht konservativer katholischer Kräfte wie etwa Opus Dei im Falle eines Wahlsieges Piñeras. Zweiter Erfolg Freis war es, den Drittplatzierten der ersten Wahlrunde, den charismatischen Dissidenten des Regierungslagers, Enríquez Ominami, durch Zugeständnisse auf seine Seite ziehen zu können. Ominami hatte im Dezember immerhin 20,13 Prozent erzielt.
Und auch die Wähler des Kandidaten der Linken, Jorge Arrate, der im Dezember auf 6,21 Prozent kam, dürften in der Stichwahl eher für Frei als für seinen konservativen Herausforderer stimmen. Schließlich sprach sich auch der mächtige Gewerkschaftsverband CUT für Frei aus. Großen Einfluss aber dürfte das zwar notgedrungen dezente aber dennoch deutliche Werben von Amtsinhaberin Michelle Bachelet für Frei sein. Bachelet, die nicht unmittelbar erneut antreten darf, aber schon ihre Ambitionen für die übernächste Amtszeit angekündigt hat, erfreut sich einer Beliebtheitsrate von mehr als 80 Prozent. Und die Regierung scheute sich nicht, noch schnell einige wahlwirksame Projekte und Vorhaben aufzulegen.
Wer immer die Stichwahl gewinnt und im März die Nachfolge der Sozialistin Bachelet antritt, wird jedoch nicht über eine automatische Mehrheit im Parlament verfügen. Das aber ist in der stabilen, auf Dialog angelegten chilenischen Demokratie kein unüberwindbares Problem.
Quelle: ntv.de, Jan-Uwe Ronneburger, dpa