Kampf für die Meinungsfreiheit "Reporter ohne Grenzen" wird 25
23.06.2010, 10:54 Uhr
Bei einem Aktionstag von "Reporter ohne Grenzen" zum "Internationalen Tag der Pressefreiheit" am 3. Mai stehen und sitzen Kleider ohne menschlichen Inhalt vor dem Brandenburger Tor in Berlin hinter einem Zaun (Archivbild vom (2. Mai 2009).
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Seit 25 Jahren kämpft "Reporter ohne Grenzen" mit Kampagnen und kugelsicheren Westen für eine freie Presse. Auch ihre Jahresbilanz für 2010 ist unerbittlich.
Das zerknitterte Gesicht von Mahmud Ahmadinedschad sieht aus, als wäre es zu einem Grinsen verzerrt - oder als ob der iranische Präsident die Zähne fletschen würde. Nur noch sehr grob ist der Staatschef überhaupt auf dem zerknüllten Foto zu erkennen, in kleiner Schrift steht im Eck: „Nur eine freie Presse kann sie treffen.“ Das Poster ist Teil einer großen Iran-Kampagne von Reporter ohne Grenzen, der Organisation, die seit 25 Jahren auch in den entlegensten Regionen der Welt für die Meinungs- und Pressefreiheit kämpft. Ende Juni 1985 fanden die ersten Treffen zur Gründung der Organisation im südfranzösischen Montpellier statt - inzwischen beobachtet Reporter ohne Grenzen in mehr als 150 Ländern die Bedingungen für die Medien.
„Immer da, wo es akut ist, da berichten wir“, beschreibt Anja Viohl von der deutschen Sektion in Berlin die Arbeit der Organisation. Dabei stützt sich Reporter ohne Grenzen auf Informationen von 120 lokalen Korrespondenten, auf Nicht-Regierungsorganisationen und schickt eigene Teams vor Ort. Alle Informationen laufen in der Zentrale in Paris zusammen. Ziel ist die Dokumentation und Veröffentlichung von Verstößen gegen die Medienfreiheit, ähnlich wie dies Amnesty International für die Menschenrechte tut.
Aus für freie Meinungsäußerung
Durch öffentlichen Druck und Kampagnen sollen Politiker weltweit so beeinflusst werden, dass sich die Verhältnisse ändern. Denn in Konfliktregionen wie in Kirgistan bedeutet ein Verbot der Berichterstattung meist auch das Aus für freie Meinungsäußerung und die Menschenrechte generell.
Nothilfe für iranische Flüchtlinge ist derzeit eine wichtige Aufgabe für die deutsche Sektion. Denn ein Jahr nach der umstrittenen Wiederwahl von Ahmadinedschad und den aufsehenerregenden Protesten der Opposition ist die Bilanz bedrückend: Mehr als 170 Journalisten und Blogger wurden festgenommen, 37 von ihnen sind noch im Gefängnis und mehr als 100 Medienschaffende mussten ihre Heimat verlassen. „Anwaltshilfe vor Ort, medizinische Hilfe für Journalisten nach der Haft und manchmal auch die Betreuung von Angehörigen“ zählen laut Viohl ebenfalls zu den Aufgaben von Reporter ohne Grenzen - bis hin zur Beschaffung von kugelsicheren Westen für einheimische Reporter in Krisengebieten.
Deutschland auf Platz 18
Jedes Jahr legt Reporter ohne Grenzen Einzel- und Gesamtberichte in verschiedenen Sprachen sowie eine Rangliste vor, auf der Länder nach den Verstößen gegen die Pressefreiheit eingeordnet werden. Am schlechtesten schneiden demnach der Iran und danach noch Turkmenistan, Nordkorea und Eritrea ab, die beste Bewertung erreichen Dänemark, Irland und skandinavische Länder. Italien rutschte auf der aktuellen Rangliste 2009 unter anderem wegen der „Drangsalierung der Medien“ durch Regierungschef Silvio Berlusconi um fünf Plätze auf den 49. Platz weltweit ab. Deutschland belegt nur Platz 18 - unter anderem wegen der Online-Durchsuchungen des Bundeskriminalamtes und wegen vereinzelter Angriffe auf Journalisten.
Auch wenn Reporter ohne Grenzen viele renommierte Auszeichnungen erhielt, darunter den Sacharow-Menschenrechtspreis des Europäischen Parlaments, gibt es vereinzelt auch Kritik. So werfen linke Gruppierungen der Organisation vor, Verbündete der USA zu schonen. Reporter ohne Grenzen widerspricht dem strikt: Es gehe um eine „ausgewogene Berichterstattung“ über alle Länder, versichert Viohl. Auch die USA und Israel würden kritisiert. Auf der Homepage der Organisation laufen unterdessen die aktuellen Zahlen für die Jahresbilanz 2010 unerbittlich weiter: In den ersten sechs Monaten des Jahres wurden demnach weltweit 15 Journalisten und ein Medien-Assistent getötet sowie 171 Journalisten, elf Assistenten und 114 Online-Dissidenten inhaftiert.
Quelle: ntv.de, Christine Pöhlmann, AFP