Klopse wie bei Muttern "Retrofood" ist angesagt
06.04.2007, 14:21 UhrEisbein, Maultaschen, Rindergulasch und sogar Saumagen: Das Szene-Publikum hat die deutsche Hausmannskost wieder entdeckt. Nach der Asien-Welle mit Sushi, Thai-Curry und Zitronengras-Suppe scheinen sich gerade die Jüngeren wieder nach der Roulade und den Königsberger Klopsen wie bei Muttern zu sehnen. Ganz genauso wie früher, fettig oder nach Konserve, darf es aber nicht mehr schmecken. In-Lokale wie die "Pfälzer Stube" in Hamburg oder die "Schwarzwaldstuben" in Berlin-Mitte verbinden Retro-Charme und ironisch gemeintes Hirschgeweih mit regionaler Küche. Und Fernsehkoch Tim Mälzer preist seinen TV-Vorgänger Clemens Wilmenrod, der einst den Toast Hawaii erfand.
Der Gaststättenverband DEHOGA spricht von einer "Renaissance der deutschen Küche" - zuerst von der Luxusgastronomie aufgegriffen, jetzt auch im gesamten Markt zu beobachten. "Wachsenden Erfolg haben Betriebe, die regionale Spezialitäten anbieten und Geborgenheit vermitteln", sagt DEHOGA-Sprecherin Stefanie Heckel. Laut einer Umfrage mögen 77 Prozent der Befragten die deutsche Küche. 41 Prozent empfinden sie mittlerweile als "Trendküche" - damit hat die hiesige Kost sogar italienisches Essen überholt. Fehlt eigentlich nur noch, dass Latte Macchiato und Espresso von Bohnenkaffee und Mokka überrundet werden.
Für den Trend finden sich viele Beispiele. In der "Raststätte Gnadenbrot", einer mit 70er-Jahre-Deko verzierten ehemaligen Eckkneipe in Schöneberg, werden deftiges Rindergulasch oder Braten vom "fränkisch-hällischen Landschwein" mit Sauerkraut und Semmelknödel serviert. Als Salat gibt es Hering und Rote Bete. 90er-Jahre-Entdeckungen wie Tomate-Mozzarella und Rucola fehlen auf der Speisekarte.
Das "Bordrestaurant" im Prenzlauer Berg, das mit "Retrofood" wirbt, kredenzt pochiertes Ei in Rotweinsoße oder "Hahn im Korb" (Stubenküken mit Dip). "Wir kochen wie damals, aber wir machen es frisch und neu", sagt Inhaberin Juliane Gassert (40). Vanillepudding oder Ochsenschwanzsuppe sorgen bei der Generation Golf für Wiedererkennungsfreude. Das Weinangebot soll aber nicht mehr so sein wie früher. Schließlich trank man damals an der Hausbar nur süßen "Kellergeister".
Futtern wie bei Muttern: Gänzlich unironisch geht es in den "Thüringer Stuben" ein paar Straßen weiter zu. Als Spezialität locken die berühmten Klöße aus dem Freistaat, Braten und Rouladen. Die Wände sind holzvertäfelt, ein ausgestopfter Hirsch schaut von der Decke, auf den Tischen liegen Spitzendeckchen. Die Kuckucksuhr an der Wand und die Osterhasen im Fenster verströmen die rustikale Gemütlichkeit, die auch amerikanische Touristen zum Eisbein-Essen anzieht. "Es soll halt sein wie bei Oma zu Hause", sagt Wirt Mirko Hemme (38), der aus der Nähe von Jena kommt. "Es kommen auch sehr viele junge Leute zum Essen, die die heimatliche Küche vermissen", hat er beobachtet. Bei ihm wird noch "richtig deftig" gekocht. "Man braucht schon hinterher meist einen Verdauungsschnaps."
Von Caroline Bock, dpa
Quelle: ntv.de