Dossier

Größter Terror-Prozess des Jahres Rolle der Geheimdienste?

Das Verfahren füllt schon jetzt 487 Aktenordner. Am 24. März beginnt im Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichts der größte Terror-Prozess des Jahres in Deutschland - und möglicherweise auch des kommenden Jahres, denn Eingeweihte schließen eine Prozessdauer von zwei Jahren nicht aus. Angeklagt ist die sogenannte Sauerland-Gruppe, bestehend aus den zum Islam konvertierten Deutschen Fritz Gelowicz und Daniel Schneider sowie den Türken Adem Yilmaz und dem Deutschen Attila S.

Die Islamisten sollen als Terrorzelle der "Islamischen Dschihad-Union" massive Anschläge mit Autobomben in Deutschland geplant haben. Zwölf Fässer mit 730 Kilogramm Wasserstoffperoxid-Lösung, als Sprengstoff-Grundstoff verwendbar, waren bei den Männern entdeckt worden - genug für mehrere Autobomben. Ziele in Frankfurt, Dortmund, Düsseldorf, Stuttgart, München, Köln und Ramstein hatten die mutmaßlichen Terroristen den Ermittlern zufolge im Visier.

Die acht Pflichtverteidiger der vier Angeklagten haben sich darauf verständigt, im Zwischenverfahren zu den Vorwürfen keine Stellung zu nehmen. Sie ließen die Frist verstreichen. Zu gering erschien die Chance, den Prozess noch zu kippen.

"Ulmer Szene beim Verfassungsschutz nicht unbekannt"

Worauf sich das Gericht und die Bundesanwaltschaft aber bereits einstellen können, sind Fragen nach der Rolle der Geheimdienste in dem Fall. Schon die Ulmer Islamisten-Szene, aus der die Konvertiten stammen, sei im Visier der Nachrichtendienste gewesen. "Die Ulmer Szene war dem Verfassungsschutz nicht unbekannt. Mein Mandant wurde schon nach seiner Rückkehr aus Pakistan vom Verfassungsschutz angesprochen. Man hat versucht, ihn umzudrehen - wenn auch vergeblich", sagte Rechtsanwalt Johannes Pausch. Die Frage ist für Pausch nun, bei wem der Geheimdienst möglicherweise mehr Erfolg hatte und ob ein bezahlter "Agent Provocateur" mit von der Partie war.

Schließlich standen die mutmaßlichen islamistischen Terroristen schon lange unter Beobachtung. Aufmerken lassen hat Pausch eine Meldung, wonach bei der Beschaffung der Sprengzünder für die geplanten Anschläge in Deutschland der amerikanische Geheimdienst CIA und der türkische Geheimdienst in Istanbul die Finger im Spiel gehabt haben sollen. Vielleicht wären die jungen Männer ohne geheimdienstliche Schützenhilfe gar nicht so weit gekommen?

Mit umfassenden Geständnissen wird der Düsseldorfer Staatsschutzsenat unter Vorsitz von Richter Ottmar Breidling jedenfalls nicht rechnen können. Denn Richter Breidling, das wissen die Verteidiger, wird es bei einer Einlassung zum Tatvorwurf nicht bewenden lassen, sondern auch Hinter- und Mittelsmänner ans Licht zerren wollen. "Wenn die Angeklagten das nicht wollen, macht ein Geständnis keinen Sinn", sagt Pausch, der auch den im vergangenen Dezember zu lebenslanger Haft verurteilten "Kofferbomber" Youssef El Hajdib vertritt.

Vorwurf des versuchten Mordes

Wozu sein Mandant Daniel Schneider möglicherweise doch etwas sagen wird, ist der nur gegen ihn erhobene Vorwurf des versuchten Mordes: Schneider war bei der Festnahmeaktion der Spezialeinheiten im sauerländischen Oberschledorn barfuß getürmt. Bei einem Gerangel soll er einem seiner Verfolger die Dienstwaffe aus dem Holster gerissen und einen Schuss auf ihn abgegeben haben. Getroffen wurde aber niemand und auch die Kugel wurde nicht gefunden. Ein Polizist, der eine Szene wie bei einer Exekution beobachtet haben will, zog seine Aussage zurück. Aber auch die übrigen Schilderungen sind für den Anwalt nicht schlüssig.

Der "Kofferbomber von Köln" und die Angeklagten der Sauerland-Gruppe hegen unterdessen in ihren Haftzellen anscheinend eine gewisse Sympathie füreinander: "Sie lassen sich Grüße ausrichten", berichtet Pausch.

Frank Christiansen, dpa

Quelle: ntv.de

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