Nervenkitzel im Vatikan Rückkehr zum Latein?
13.04.2007, 11:36 UhrNervenkitzel im Vatikan: Zwei Jahre ist Papst Benedikt XVI. im Amt, doch noch nie wurde eine Entscheidung vom ihm mit einer derartigen Spannung erwartet. Seit Monaten mehren sich Spekulationen, der konservative Deutsche wolle 40 Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil die traditionelle lateinische Messe wieder zulassen. Mehrfach wurde die Bekanntgabe der päpstlichen Entscheidung verschoben. Jetzt heißt es, nach seinem 80. Geburtstag sei es bald soweit. Dem Papst geht es bei dem Thema um eine Versöhnung mit den "Traditionalisten", Kritiker sprechen von einem "Stück Restauration". Die Spannung könnte größer nicht sein - vor allem in Deutschland herrscht keine Begeisterung.
Bereits im Vorfeld versucht die "Nummer zwei" im Vatikan, die Gemüter zu beruhigen. "Der Wert der Messreform des Zweiten Vatikanischen Konzils bleibt unangetastet", beteuert Kurienkardinal Tarcisio Bertone in einem Interview mit "Le Figaro" (Paris). Allerdings gehe es dem traditionsbewussten Benedikt darum, "das große liturgische Erbe nicht zu verlieren". Viele Laien meinen: "Ein schwieriger Spagat."
Wie die päpstliche Entscheidung genau ausfallen wird, ist noch unklar. Laut italienischen Medien deutet alles darauf hin, dass der tridentinische Messritus aus dem 16. Jahrhundert wieder angewendet werden darf, wenn eine bestimmte Anzahl von Gemeindemitgliedern dies wünscht. Dabei wird häufiger die Zahl von 30 Gläubigen genannt. Insider weisen darauf hin, dass dies also keinesfalls "ein Aus für die derzeitigen Messfeiern" bedeute.
Mit dem Rücken zur Gemeinde
Tatsächlich gibt es zwischen der nachkonziliaren Liturgie und der traditionellen Messe erhebliche Unterschiede - es geht nicht nur um ein Sprachproblem. Bei der Tridentinischen Messe - vom Konzil von Trient vor etwa 450 Jahren eingeführt - werden nicht nur die Gebete auf Latein gelesen, der Priester steht bei der Eucharistie (Abendmahl) mit dem Rücken zu den Gläubigen. "Es handelt sich dabei um keine gemeinsame Feier von Priester und Gemeinde", meint der deutsche Liturgieexperte Prof. Martin Klöckener. "Ob außer dem Priester noch Gläubige anwesend sind, ist unerheblich."
Mit diesem uralten Rollenverständnis zwischen Priester und Glaubensvolk hatte das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) gebrochen, ausdrücklich wurde die Kirche als "Gemeinschaft" definiert. In der "modernen" Messe wendet sich der Priester den Gläubigen zu, die Gebete werden in der Landesprache gehalten. Die Liturgiereform wurde zum Symbol für "die Öffnung" der katholischen Kirche, die Tür zur modernen Zeit sollte aufgestoßen werden.
Regelrecht verboten
Zeitweise war die "alte" Messe regelrecht verboten, Anfang der 80er Jahre erließ Johannes Paul II. auf Drängen der Traditionalisten um den (später exkommunizierten) französischen Bischof Marcel Lefebvre (1905-1991) Sonderregelungen - faktisch blieb die alte Liturgie aber in der Versenkung.
Das soll jetzt anders werden. Schon früher äußerte Joseph Ratzinger Zweifel, ob die Abschaffung eines Jahrhunderte alten "bewährten" Ritus sinnvoll sei. "Die Überwindung des Schismas (Kirchenspaltung) mit den Lefebvre-Anhängern ist ihm eine Herzenssache", meint ein deutscher Vatikaninsider. Zudem wettert Benedikt seit längerem gegen "Wildwuchs" und allzu freie Gestaltung beim Gottesdienst, will die "Spiritualität" der Heiligen Messe bewahren. Doch auch Laien unterstützen mitunter die "Reform von der Reform" - sie finden die Gebete in Latein einfach "feierlicher".
Quelle: ntv.de