Wahlkampfendspurt in NRW Rüttgers vor den Werkstoren
23.04.2010, 11:16 UhrBenQ, Nokia, Opel - Ministerpräsident Rüttgers hatte reichlich Gelegenheit, um sich seinen Ruf als Arbeiterführer zu erarbeiten. Diesen wirft er nun in die Waagschale.

Kämpferisch: Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers während einer Wahlkampfrede in Oberhausen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Auftritte vor beunruhigten Arbeitern gehörten für Jürgen Rüttgers in den vergangenen fünf Jahren zum Regierungsalltag: Etwas mehr als ein Jahr war der CDU-Politiker im Amt, da gingen im BenQ-Handywerk in Kamp-Lintfort die Lichter aus. Der taiwanesische Konzern schloss seine von Siemens übernommene Mobiltelefon-Sparte. In Kamp-Lintfort und Bocholt standen mehr als 1400 Beschäftigte auf der Straße - sie hatten von den Schließungsplänen aus dem Radio erfahren.
"Ich bin wütend, weil man so mit ihnen umgegangen ist", bekannte Rüttgers vor den verbitterten Arbeitern. Das Aus abwenden konnte er aber nicht. In Kamp-Lintfort lief Ende Januar 2007 das letzte Handy vom Band. Mehr als 80 Prozent der Beschäftigten haben nach Angaben des NRW-Wirtschaftsministeriums über eine Transfergesellschaft inzwischen einen neuen Arbeitsplatz gefunden.
Rüttgers als Arbeiterführer
Januar 2008 - gleiche Branche, gleiches Bild. Handy-Riese Nokia hatte angekündigt, sein Werk in Bochum dicht zu machen und nach Rumänien zu gehen. Die Empörung war diesmal noch größer - auch bei Rüttgers. Denn Nokia war durch einen tiefen Griff in den Subventionstopf nach Bochum geholt worden. Der finnische Konzern setze sich dem Verdacht aus, eine "Subventions-Heuschrecke" zu sein, wetterte Rüttgers.
Diesmal waren die Proteste erfolgreicher. Nokia ging zwar nach Rumänien, ließ in Bochum aber Geld zurück. Die um ihr Image fürchtenden Finnen steckten 20 Millionen Euro sowie weitere 13 Millionen Euro aus dem Verkauf des Bochumer Grundstücks in einen Fonds für die Region. Das Land steuert weitere 20 Millionen Euro bei. Unter anderem soll auf dem Nokia-Gelände ein Gewerbepark entstehen.
Auch den um ihre Jobs bangenden Opel-Arbeitern in Bochum sicherte Rüttgers bei einem Auftritt vor den Werkstoren seine Unterstützung zu. Als General Motors (GM) den Verkauf von Opel an Magna absagte, warf er den Managern in Detroit vor, sie zeigten "das hässliche Gesicht des Turbokapitalismus". Eine Schließung des Werks im Ruhrgebiet ist zwar vom Tisch, nach den Plänen von GM sollen aber 1800 der rund 5000 Jobs in Bochum wegfallen.
Gute Wirtschaftsbilanz
Den Problemen bei großen Arbeitgebern im Land steht in NRW eine positive Entwicklung bei vielen kleinen und mittleren Unternehmen gegenüber. Trotz Wirtschaftskrise gibt es rund eine Viertelmillion sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse mehr als beim Regierungsantritt von Rüttgers vor fünf Jahren. Die Zahl der Arbeitslosen liegt um fast 250.000 niedriger als im Mai 2005.
Bei den Wählern kann Rüttgers mit der Wirtschaftsbilanz offensichtlich punkten. Auf keinem Feld ist der Kompetenzvorsprung der CDU in Umfragen so groß wie in der Wirtschaftspolitik. Geschickt hat der Regierungschef stets die Gewerkschaften in seine Politik eingebunden. Als Rüttgers in Detroit mit den GM-Bossen über Opel sprach, war der Landeschef der IG Metall, Oliver Burkhard, an seiner Seite.
Häufiger Gast in der Staatskanzlei war in den vergangenen fünf Jahren auch DGB-Landeschef Guntram Schneider, der sich sogar mehrfach positiv über Rüttgers äußerte. Doch im Wahlkampf war es mit der Harmonie zwischen den beiden "Arbeiterführern" vorbei: Schneider tritt als SPD-Schattenminister gegen Rüttgers auf. Die CDU reagierte pikiert und nahm den Gewerkschaftsboss am Mittwoch erstmals ins Visier: Er verletze krass seine Neutralitätspflicht, hieß es.
Quelle: ntv.de, Claus Haffert, dpa