Dossier

Optimistisch in die Zukunft Russland boomt weiter

Beim Hintergrundgespräch in Moskaus noblem Caf Puschkin am Twerskoi Boulevard zerstreut der Gastgeber die Sorgen vor einer ungewissen Zukunft Russlands. "Wenn Präsident Putin abdankt, wird das Land dennoch seinen stabilen Kurs beibehalten", verkündet der Mann, der zu den mächtigsten Oligarchen seines Landes zählt. Dabei beißt der Herr über Industriekonzerne und Rohstoffreserven mit demonstrativer Zuversicht in sein mit Kaviar bestrichenes Omelett. Die Nominierung von Dmitri Medwedew, Vizeregierungschef und Aufsichtsratsboss bei Gazprom, als Putin-Nachfolger scheint den Wirtschaftskapitänen des Landes Recht zu geben.

Putins Versprechen, auch nach seinem Ausscheiden aus dem Amt im Frühjahr weiter die Geschicke des Landes zu bestimmen, beruhigt die Märkte. "Der Verbleib Putins an den Schalthebeln der Macht garantiert den Fortgang der Reformen und minimiert die Gefahr von Umwälzungen in der Regierung und den staatlich kontrollierten Konzernen", schreibt die Analystin Julia Buschujewa vom Investmenthaus Aton. Mit welchen Mitteln sich Putin seinen Einfluss sichern wird, schert die Wirtschaft des Landes wenig.

Der Optimismus im boomenden Riesenreich ist ungebrochen. Nicht nur die weiterhin hohen Erdölpreise, sondern auch der starke Konsum, gewaltige Währungsreserven sowie die Haushalts- und Leistungsbilanzüberschüsse stärken weiter das russische Selbstbewusstsein. Im kommenden Jahr werden Russlands Konzerne bei Börsengängen 35 Milliarden Euro einnehmen, schätzt die Investmentbranche. Selbst die wieder zweistellige Inflationsrate von zuletzt 11 Prozent im Oktober kann die Stimmung kaum trüben.

Im auslaufenden Jahr hielt sich der sonst so erfolgsverwöhnte russische Aktienmarkt im Vergleich zu anderen Schwellenländern wie Brasilien, China oder Indien eher zurück. Dafür geriet der Leitindex RTS in Moskau zuletzt auch weniger unter Druck, als die Hypothekenkrise in den USA weltweit die Märkte heimsuchte. Auch Russland verspürte in den vergangenen Monaten Liquiditätsengpässe, die aber durch das Eingreifen der Zentralbank abgefedert wurden.

Als wichtigste Ereignisse im Jahr 2007 sieht Katja Malofejewa ein explosionsartiges Investitionswachstum in Russland, die gestiegene Inflation sowie die Reform des Stabilitätsfonds. "Durch Reformen wurde die Abhängigkeit des russischen Haushalts von den Ölpreisen deutlich verringert", betont die Chefökonomin des Investmenthauses Renaissance Capital. Im RTS-Index ist der Anteil der Energieunternehmen wegen mehrerer branchenfremder Börsengänge auf unter 50 Prozent gesunken.

Privatisierungsprogramme voll im Gange

Von Frühjahr an soll der durch Öl- und Gaseinnahmen gewaltig angeschwollene Stabilitätsfonds teilweise in Aktien angelegt werden. Im Westen schrillen deshalb die Alarmglocken, weil man fürchtet, dass strategisch wichtige Konzerne unter die Kontrolle des Kremls geraten könnten. Vor allem der mächtige Gasmonopolist Gazprom stößt bei seinen Erkundungstouren in der EU weiter auf schroffe Ablehnung. Immerhin gelang dem russischen Stahlmilliardär Alexej Mordaschow nach dem Fiasko bei der versuchten Übernahme von Arcelor der Einstieg beim deutschen Tourismuskonzern TUI.

Experten gehen davon aus, dass die Privatisierungsprogramme in Russland unabhängig von der Präsidentenwahl im März weiterlaufen. Zuletzt hatte sich E.ON für 4,1 Milliarden Euro die Kraftwerksgesellschaft OGK-4 aus dem Bestand des nationalen Stromriesen UES gesichert. Kritiker bemängeln allerdings, dass die Schaffung von Staatsholdings in diversen Industriebereichen nicht gerade zu mehr internationaler Wettbewerbsfähigkeit führen dürfte.

Nicht mehr ganz so zuversichtlich sind die Analysten dagegen bei Russlands aufstrebendem Nachbarn Kasachstan. Die weitaus größere Abhängigkeit von ausländischen Krediten hat dem Land eine Liquiditätskrise eingebrockt. Das führte in den vergangenen Wochen sogar so weit, dass eine große europäische Fluglinie ihre Frachtflotte umdirigieren musste, weil in der Hauptstadt Astana das Flugbenzin knapp wurde - und das ausgerechnet in einem Land, das sich selbst gern als Ölnationen der Zukunft präsentiert.

Von Stefan Voß und Alexander Marjin, dpa

Quelle: ntv.de

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