Chinesischer Bürgerrechtler geehrt Sacharow-Preis für Hu Jia
17.12.2008, 17:03 UhrEr sieht aus wie ein zurückhaltender Bücherwurm, dieser schmale Mann mit der Brille und dem jungenhaften Lächeln - doch der erste Eindruck täuscht: Hu Jia ist Chinas bekanntester Bürgerrechtler, und er hat einen eisernen Willen, wenn es um die Menschenrechte, die Umwelt und das Wohl von Aids-Kranken in der Volksrepublik geht. Das Europäische Parlament zeichnete den 35-Jährigen für sein mutiges Engagement mit dem Sacharow-Preis für geistige Freiheit aus - in Abwesenheit, denn Hu sitzt in Haft. Chinas Justiz verurteilte ihn im April wegen angeblicher umstürzlerischer Umtriebe zu dreieinhalb Jahren.
Scheinbar harmlos kommt der Informatiker Hu daher, doch Chinas Machthaber hat er das Fürchten gelehrt. Die Haftstrafe für den Dissidenten gibt davon Zeugnis. Für Hu ist ein Leben in Gefangenschaft nichts Neues - er hat den Großteil der vergangenen drei Jahre im Polizeigewahrsam oder, zusammen mit seiner Frau Zeng Jinyan, unter Hausarrest verbracht - in der gemeinsamen Wohnung in Peking, die in einer Anlage mit dem klangvollen Namen "Dorf der Freiheit" liegt. Seinen Humor hat Hu aber offenbar nicht verloren: "Bei so vielen Polizisten, die mich auf Schritt und Tritt verfolgen, komme ich mir richtig wichtig vor", sagte er einmal.
Hu festgenommen und verurteilt
Es geschah ausgerechnet kurz nach einer Telefonkonferenz Hus mit Vertretern des Europa-Parlaments, dass der Dissident im Dezember 2007 wieder festgenommen wurde: Mit Mitgliedern des Ausschusses für Menschenrechte hatte Hu über die Menschenrechtslage in seiner Heimat gesprochen. Die chinesische Obrigkeit quittierte dies im April mit seiner Verurteilung. Doch bremsen lässt Hu sich nicht: "Während seiner ganzen Geschichte war China eine Diktatur", sagte er einmal. Erst jetzt gebe es die Chance, erstmals seit 5000 Jahren die Demokratie ins Land zu bringen: "Deshalb tue ich, was ich tue."
Seinen Drang zu bürgerrechtlichem Engagement entdeckte Hu als Student. Damals bewegten ihn vor allem die Umweltsünden im Land, später wandte Hu sich den Menschenrechten zu. Unter anderem mit regierungskritischen Artikeln im Internet hat er immer wieder auf Verstöße gegen die Bürgerrechte in der Volksrepublik aufmerksam gemacht. Ohne Rast setzt er sich auch für die Aids-Kranken in China ein, obwohl er nach Angaben seiner Frau Zeng durch eine Leber-Zirrhose selbst schwer angeschlagen ist. Auch die Haft könne Hus starken Willen nicht brechen, schreibt Zeng in ihrem Internet-Blog.
Ehefrau per Videobotschaft im EU-Parlament
Während Hu bei der Preisverleihung im Straßburger Plenarsaal des EU-Parlaments nur auf Fotos zugegen war, wandte sich seine Frau Zeng per Videobotschaft an die Europa-Abgeordneten - auch ihr hätten die chinesischen Behörden die Reise verboten, sagte sie. Auch habe sie ihrem Mann die Nachricht vom Sacharow-Preis nicht selbst überbringen dürfen, berichtete sie - das hätten Polizisten übernommen: "Ich habe aber gesehen, dass er sich sehr gefreut hat." Zeng Jinyan kündigte an, mit dem Preisgeld von 50.000 Euro eine Stiftung für die Familien inhaftierter Menschenrechtler in China gründen zu wollen. Eine Sprecherin des Parlaments sagte allerdings, noch sei gar nicht klar, ob und wie das Geld nach China überwiesen werden könne.
Der Gesundheitszustand ihres Mannes mache ihr weiter Sorgen, sagte Zeng - auch wenn sich seine Haftbedigungen gebessert hätten, seit er nach Peking verlegt worden sei. Allerdings seien ihm binnen eines Monats zwei Blutproben entnommen worden, die Laborwerte würden der Familie allerdings nicht mitgeteilt. Die Menschenrechtslage in ihrem Land sei weiter dramatisch, kritisierte Zeng: Schulbücher, Zeitungen, alles ähnele den Zuständen, wie sie im Roman "1984" von George Orwell beschrieben würden.
Dan Martin, AFP
Quelle: ntv.de