Dossier

"Unendliche Öffnung nach links" Sarkozys großer Coup

Das Regierungslager ist fassungslos und die Opposition in offener Panik: Kaum ein Tag vergeht, an dem der französische Präsident Nicolas Sarkozy nicht einen prominenten Linken in die Regierungsarbeit einbindet oder für eine herausragende Stelle vorschlägt. Letzter Coup: Der Sozialist Dominique Strauss-Kahn soll Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) werden. "Ich will die politischen Sitten in diesem Land ändern", sagt Sarkozy. "Ich muss mich von allen politischen Bindungen und Freundschaften freimachen."

Sarkozys "unendliche Öffnung nach links" zersetzt die Sozialistische Partei, die ihrem "Ausbluten" hilflos zuschaut. Doch sie verärgert zusehends auch den Bürgerblock. In der Fraktion rumort es. Wenn Sarkozy so weitermache, werde er "sich bald fast alleine gegen alle wiederfinden", warnt die Zeitung "Le Charente Libre".

Die ersten Öffnungsschritte waren noch als strategische Raffinesse gefeiert worden. Schließlich hatte Sarkozy mit Bernard Kouchner als Außenminister und Jean-Pierre Jouyet als Europa-Staatssekretär Profis ohne Hausmacht an Bord geholt. Doch jetzt umwirbt Sarkozy die drei "Leitbullen" der Sozialisten: Ex-Wirtschaftsminister Strauss-Kahn, Altpremier Laurent Fabius und Ex-Kulturminister Jack Lang. Ungläubig reiben sich Altgaullisten und Liberale die Augen: Ist das noch "ihr" Sarkozy, der im Wahlkampf mit rechtsnationalen Parolen der Nationalen Front die Wähler abspenstig gemacht und die totale Konfrontation mit den Sozialisten gesucht hat?

Jetzt will Sarkozy ausgerechnet den Leitwolf der französischen Sozialdemokratie, Strauss-Kahn, zum IWF-Chef machen. Den "Kaviarlinken" Lang will er in die Kommission zur Verfassungsreform holen. Den Linkssozialisten Fabius, der gemeinsam mit den Trotzkisten die EU-Verfassung zu Fall gebracht hatte, lädt er zum Gespräch über die EU-Reform in den lysepalast. Und die Analyse der Globalisierung überträgt er Ex-Außenminister Hubert Vdrine, dem Chefstrategen des "Leitfossils" der Linken, Präsident Franois Mitterrand (1981-1995).

Die Linke reagiert auf diese Charmeoffensive hilflos. Parteichef Franois Hollande grantelt nur. Abgeordnete fordern, die "Überläufer" rauszuwerfen. Und die an ihrer Karriere bastelnde gescheiterte Präsidentschaftskandidatin Sgolne Royal taucht einfach ab.

"Der Präsident sieht Kompetenz nur bei den Sozialisten", spöttelt der Pariser PS-Bürgermeister Bertrand Delano. An der Basis fallen härtere Worte. Die Internet-Blogs quellen über von wütenden Angriffen auf die "Verräter", die "nur an die Fleischtöpfe wollen". Indigniert erklären die Umworbenen Strauss-Kahn und Fabius, sie blieben Sozialisten, würden aber "in aller Freiheit entscheiden".

Im Regierungslager werden die Misstöne ebenfalls lauter. "Auch die UMP hat pfiffige Köpfe", schallt es aus der UMP-Fraktion. "Wozu haben wir die Wahl gewonnen?" Die meisten äußern ihren Unmut zwar noch hinter vorgehaltener Hand. Doch Altpremier Edouard Balladur drohte bereits offen, die Leitung der Kommission zur Verfassungsreform abzulehnen, wenn Lang in die Kommission geholt werde.

Was treibt Sarkozy dazu, die "Öffnung" immer weiter zu treiben, fragen sich die Franzosen. Der "Figaro" glaubt, die Antwort zu kennen: Sarkozy wolle die Opposition bis zur Kommunalwahl 2008 lähmen. "Er glaubt, eine Niederlage bei dieser Wahl könne die Reformdynamik brechen", zitiert das regierungsnahe Blatt einen UMP-Politiker. Sarkozy weist das weit von sich. Er sei nicht nur für seine Wähler da, sagt er treuherzig. "Ich bin davon besessen, Präsident aller Franzosen zu sein." Außerdem habe er sich viel vorgenommen. "Für große Reformen braucht man eine große Mehrheit." Als würde ihm die absolute Mehrheit in Nationalversammlung und Senat nicht reichen.

Hans-Hermann Nikolei, dpa

Quelle: ntv.de

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