Dossier

Julia und Viktor Scheidungskrieg in der Ukraine

Wenige Monate vor der Präsidentenwahl in der Ukraine gleicht das politische Verhältnis zwischen Amtsinhaber Viktor Juschtschenko und seiner Regierungschefin Julia Timoschenko immer mehr einem Scheidungskrieg. Die einstigen Verbündeten der Orangenen Revolution von 2004 sind so tief zerstritten, dass ihr Land, Europas wichtigstes Transitland für russisches Gas, im Chaos versinkt. Seit Monaten schon fordern internationale Geldgeber Reformen in der hoch verschuldeten Ex-Sowjetrepublik. Doch ein praktisch arbeitsunfähiges Parlament und erbitterte Grabenkämpfe lähmen das Land völlig - wohl noch bis zur Wahl Anfang nächsten Jahres.

Julia Timoschenko und Viktor Juschtschenko zwangsvereint während einer Konferenz in Brüssel.

Julia Timoschenko und Viktor Juschtschenko zwangsvereint während einer Konferenz in Brüssel.

(Foto: dpa)

Der Wahlkampf ist nach der Sommerpause in Kiew voll im Gang. Der im Grunde aussichtslose Juschtschenko sowie Timoschenko mit ihrem markanten Haarkranz und Oppositionsführer Viktor Janukowitsch mit seiner im russischsprachigen Osten verankerten Partei der Regionen - sie alle haben den 17. Januar 2010 im Blick. "Die Führer des Landes haben die Ukraine in ein Piratenschiff mit Geiseln verwandelt. Der Kahn hat keinen Kapitän, kein Steuerrad und kein Segel", ätzte Janukowitsch, Chef der zahlenmäßig stärksten Fraktion.

"Lakaien Moskaus"

Der NATO-Anhänger Juschtschenko wiederum warnt davor, seinen beiden Kontrahenten zu trauen und den 2004 gewählten prowestlichen Kurs und die Demokratie zu gefährden. Der seit einem Dioxin-Anschlag von Gesichtsnarben gezeichnete Präsident wirft Timoschenko und Janukowitsch vor, sich zu Lakaien Moskaus zu machen. Russland hingegen beschuldigt Juschtschenko, zwischen den "Brudervölkern" Hass zu säen. Das Verhältnis zu Russland dürfte einmal mehr das bestimmende Wahlthema werden in diesem in einen nationalistischen Westen und einen russischsprachigen Osten geteilten Land.

Tatsächlich haben Timoschenko und der russische Regierungschef Wladimir Putin Anfang des Monats bei einem Treffen gezeigt, dass sie wie schon zu Jahresbeginn bei ihrem Gaskrieg eine gemeinsame Sprache finden. Mit Juschtschenko aber sei keine Normalisierung möglich, teilte Kremlchef Dmitri Medwedew unlängst dem Amtskollegen in einem Brief mit. Für Moskau geht es bei der Wahl aber nicht nur um die Freundschaft, sondern auch ums Geschäft - etwa bei der Sanierung der Pipelinenetze und der weiteren Stationierung der Schwarzmeerflotte auf der Halbinsel Krim, deren Abzug für 2017 vorgesehen ist.

Orangene Revolution: Im November 2004 standen sie Seite an Seite.

Orangene Revolution: Im November 2004 standen sie Seite an Seite.

(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)

Nach Einschätzung der Kiewer Wochenzeitung "Serkalo Nedeli" hat Moskau die "Finger direkt am Puls", was die Stimmung im Land angehe. Und hier sind sowohl Timoschenko als auch Janukowitsch für eine Rückkehr zur Normalität mit Russland. Allerdings sei es diesmal längst nicht so, wie das Blatt feststellt, dass sich Moskau nur auf seinen Favoriten Janukowitsch verlasse. Schon Anfang Oktober will sich Putin wieder mit Timoschenko treffen - diesmal im russischsprachigen Charkow in der Ukraine.

Die 48-Jährige ist unablässig auf der Suche nach Geldgebern, die den Finanz- und Energiesektor des nahezu bankrotten Landes wieder aufbauen können. "Um nach der Krise wieder auf die Beine zu kommen, ist internationale Hilfe unverzichtbar", sagt sie. Seit November vorigen Jahres hat alleine der Internationale Währungsfonds (IWF) bereits 10,6 Milliarden US-Dollar (7,4 Milliarden Euro) an das Land überwiesen. "Die Ukraine soll zu massiven Einsparungen greifen, falls sie mit weiteren IWF-Krediten rechnet", warnte der IWF-Leiter in der Ukraine, Max Allier, im ukrainischen Wirtschaftsmagazin "Kontrakty". Der IWF verlange auch eine Restrukturierung des Bankensektors.

Kein Ende der Hängepartie

Beobachter erwarten indes kein Ende der Hängepartie. Alexander Litwinenko, Analyst beim Razumkov Zentrum für politische und wirtschaftliche Studien in Kiew, geht davon aus, dass das Parlament weiter blockiert bleibt. Eine Auflösung der Obersten Rada schließt er aber vorerst aus. "Alle Mittel werden erst einmal dazu genutzt, um die Präsidentenwahlen über die Bühne zu bringen", meinte Litwinenko.

Quelle: ntv.de, Nina Jeglinski, dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen