Dossier

Knatsch in der SPD Schröder kämpft ums Erbe

Nach dem Präsidium wurde offiziell breites Einvernehmen verkündet. "Große Neigung" in der SPD-Spitze habe es zum Vorstoß von Parteichef Kurt Beck gegeben, die Kürzungen beim Arbeitslosengeld I zurückzunehmen, versicherte Generalsekretär Hubertus Heil. Die endgültige SPD-Zustimmung zu den Korrekturen an den Hartz-Gesetzen, einem Kernstück der Reform-Agenda 2010, sei eigentlich nur noch Formsache, diesen Eindruck vermittelte der Partei-Manager, während pausenlos Glückwunsch-Meldungen von SPD-Linken, Gewerkschaftern und auch vom abtrünnigen Vorsitzenden Oskar Lafontaine eintrudelten.

Doch die Freude über den am Wochenende eingefädelten Coup knapp vier Wochen vor dem Hamburger Parteitag währte nicht allzu lange. Mit einem Machtwort der besonderen Art meldete sich ein Polit-Rentner zurück, der sich seit seinem Rückzug in Parteidingen eigentlich strikte Abstinenz auferlegt hatte. Er habe zwar Verständnis für Becks schwierige Situation, gab Gerhard Schröder besorgt zu Protokoll. "Gleichwohl war und ist mein Rat, an der Substanz der Agenda 2010 festzuhalten. Ich bin sicher, dass Festigkeit in der Sache sich letztlich auszahlen wird", warf der frühere SPD-Chef seinem amtierenden Nachfolger indirekt Wankelmütigkeit vor.

Fast zeitgleich mit Schröder ging dann noch ein weiterer Spitzen-Sozialdemokrat demonstrativ gegen Beck in Stellung. Franz Müntefering nutzte den Auftritt bei einem Fachkongress in Berlin, um auf öffentliche Distanz zu gehen. "Meiner Partei empfehle ich, den Weg weiterzumachen. Der ist sehr erfolgreich", warf sich der Vizekanzler für Schröders Erbe in die Bresche. Vehement widersprach der Arbeitsminister auch der von Beck ins Gespräch gebrachten großzügigeren Vermögensanrechnung für Langzeitarbeitslose: "Die jetzige Regelung ist ganz vernünftig", sagte Müntefering.

Schon im SPD-Präsidium hatte der Vize-Kanzler scharfen Protest gegen die Beckschen Agenda-Rückzugsmanöver angemeldet. Mehr oder weniger offen unterstützt wurde er dabei vom designierten SPD-Vize, Außenminister Frank-Walter Steinmeier.

Schröder fühlte sich dagegen von Beck auch persönlich ziemlich verschaukelt. Mit Verärgerung hatte der Alt-Kanzler jedenfalls eine von der SPD-Zentrale am Wochenende in Umlauf gebrachte Version zur Kenntnis genommen, wonach er bei einem Vier-Augen-Gespräch mit Beck angeblich seine Unterstützung für dessen programmatische Neuausrichtung signalisiert habe. Wie aus Teilnehmerkreisen verlautete, wiederholte Beck am Montag im Präsidium diese These, was prompt Schröders offenes Dementi auslöste.

Ob der Alt-Kanzler nun noch richtige Lust hat, der bereits angenommenen Einladung Becks zu einer 20-minütigen Rede auf dem SPD-Parteitag zu folgen, muss sich erst noch zeigen. Auf jeden Fall dürfte Schröder jetzt der richtige Argumentationsstoff für die Agenda-Verteidigung nicht fehlen, auch wenn dies die geplante Eintracht stören sollte. Nach der nun zwischen den Spitzen- Sozialdemokraten aufgebrochenen Kontroverse über den richtigen Kurs dürften aber bis zur Eröffnung des Kongresses noch turbulente Zeiten vor der SPD liegen.

Joachim Schucht, dpa

Quelle: ntv.de

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