Im Schatten Georgiens Schwieriger EU-Russland-Gipfel
13.11.2008, 11:44 UhrEigentlich könnte der EU-Russland-Gipfel in Nizza für den russischen Präsidenten Dmitri Medwedew fast ein Heimspiel sein. Sein französischer Amtskollege Nicolas Sarkozy, derzeit auch EU-Ratsvorsitzender, empfängt ihn in Nizza - einer besonders "russischen" Stadt. Wenige Steinwürfe vom Gipfeltreff im "Palais Sarde" erinnert die orthodoxe Kathedrale am "Boulevard des Zarewitsch" daran, dass schon Mitte des 19. Jahrhundert der russische Adel die Cte d'Azur zu schätzen wusste. In den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts kamen dann klamme Kommunismusflüchtlinge aus Russland nach Nizza. Deren Erben wollen mit den neuen Einwanderern nichts gemein haben, mit jenen Russen mit Millionen und Milliarden, deren Herkunft sich im Dunkel des Zusammenbruchs der Sowjetunion verliert.
Doch der Gipfel wird schwierig. Sarkozy will deswegen das vergleichsweise einfache Thema Weltfinanzkrise in den Mittelpunkt rücken. Darüber gibt es nur wenig Streit, weil auch Medwedew für eine "weltweite neue Finanzarchitektur" von gleichberechtigten Partnern ist. Die schwere Krise in den Beziehungen zwischen der EU und Russland nach Moskaus Krieg in Georgien soll nach Sarkozys Gipfelregie beim gemeinsamen Mittagessen besprochen werden. Und leider gebe es danach keine Zeit mehr für eine Unterrichtung der Öffentlichkeit, sagten Diplomaten. Zweites großes Thema soll die Sicherheit der Energielieferungen aus Russland sein.
Unangenehme Themen auf dem Merkzettel
Die EU-Regierungen hatten sich erst am Montag mühevoll dazu durchgerungen, mit Moskau wieder über ein "Partnerschafts- und Kooperationsabkommen" zu reden. Die Verhandlungen waren wegen des russischen Einmarschs in Georgien auf Eis gelegt worden. Zugleich wurde Sarkozy jedoch aufgetragen, im Gespräch mit Medwedew und dessen Außenminister Sergej Lawrow das Thema Georgien zur Sprache zu bringen: Die EU wolle mit Russland bei der Lösung von Konflikten in der gemeinsamen Nachbarschaft zusammenarbeiten, die EU bestehe auf der territorialen Unversehrtheit Georgiens und dem Rückzug der russischen Truppen auf die Positionen vor Beginn des Konflikts, wie sie am 7. August bestanden. Sarkozy müsse, so sagen die diplomatischen Gipfelvorbereiter, Moskau auch auffordern, bei den Georgien-Gesprächen in Genf konstruktiver als beim ersten Treffen Mitte Oktober zu sein.
Eine Reihe anderer unangenehmer Themen steht noch auf Sarkozys Merkzettel - wobei Diplomaten angesichts einer Gipfeldauer von nur drei Stunden bezweifeln, dass sie wirklich alle angesprochen werden. Sorge über die Menschenrechte, mehr Schutz von Investitionen in Russland und die Frage, wann Russland eigentlich die 2006 geschlossene "Druschba"-Ölpipeline nach Litauen und Lettland wieder öffnen werde, gehören dazu. Ebenso wie die Frage, wann Russland eigentlich ein Abkommen zur Abschaffung von Überfluggebühren über Sibirien anwenden und ob Moskau weiterhin Pässe für Bewohner von EU- Staaten ausstellen will, wie in den baltischen Ländern.
Energielieferungen sollen abgesichert werden
Von Medwedew erhofft sich die EU vor allem mehr Klarheit über dessen Idee einer "neuen euro-atlantischen Sicherheitsarchitektur". Eine Reihe europäischer Staaten sorgt sich, dahinter könne vor allem der Wunsch nach einer Auflösung der NATO stehen.
Mit dem Einlenken in der Frage der Verhandlungen über ein neues Rahmenabkommen hat die EU auch eingeräumt, dass ihr Interesse an geregelten Verhältnissen mit Moskau mindestens genau so groß ist wie das russische. Vor allem die Energielieferungen sollen mit dem neuen Partnerschaftsabkommen abgesichert werden. Die EU deckt gut 25 Prozent ihres gesamten Verbrauchs von Rohöl und Gas mit Einfuhren aus Russland. Nachdem sich die EU gut zwei Jahre wegen eines Streits zwischen Russland und Polen um Fleischexporte selbst blockiert hatte, hatte es bisher nur einen ersten Verhandlungstermin im Juli gegeben, bevor die Gespräche wegen des Georgien-Kriegs wieder vertagt wurden. Die Fortsetzung der Verhandlungen und gemeinsames Handeln gegen die Finanzkrise sollen nach dem Willen Sarkozys die beiden guten Nachrichten des Gipfels werden.
Quelle: ntv.de, Dieter Ebeling, dpa