Dossier

Erinnerungen an Djindjic Serbiens Zukunft ungewiss

"Jetzt bräuchten wir jemanden wie Zoran Djindjic, mit seinem politischen Talent und seiner Energie." Dieser Satz ist dieser Tage vielerorts in Serbien zu hören. Denn fünf Jahre nach dem Attentat auf den damaligen Hoffnungsträger steckt die Balkanrepublik in einer tiefen Krise, ist Serbien nicht in der Lage zu entscheiden, wie und wohin die weitere Entwicklung gehen soll. "Djindjic hätte eine solche Entwicklung bestimmt nicht zugelassen", meinen seine Anhänger.

Die Provinz Kosovo hat sich mit Zustimmung Washingtons für unabhängig erklärt. Belgrad hat die Beziehungen zu allen Staaten, die dies anerkannt haben sowie zur EU eingefroren. Ausländische Firmen stoppen neue Investitionen. Regierungschef Vojislav Kostunica orientiert sich immer mehr nach Moskau, extreme Nationalisten haben die Mehrheit im Parlament, die Inflation wächst. "Es droht eine neue Isolation und Konfrontation mit dem Westen", warnt Zoran Zivkovic, kurzfristiger Nachfolger von Djindjic an der Regierungsspitze.

Das ist der heutige Zustand Serbiens, indirekt auch eine Folge der tödlichen Schüsse auf den damals 50-jährigen Djindjic, des ersten demokratischen Regierungschefs, am 12. März 2003 vor dem Regierungsgebäude in Belgrad. "Er war einer der wenigen einflussreichen Politiker, der sich für ein modernes, demokratisches und europäisches Serbien einsetzte und deswegen wurde er auch ermordet", sagt Zarko Korac, damals Stellvertreter von Djindjic.

Reformer und "Lakai des Westens"

Einen solchen weitsichtigen und reformistischen Staatsmann, der unter anderem Philosophie in Deutschland studiert hatte, werde Serbien nicht so bald wieder haben, meint Korac. Alles was Djindjic während seiner nur zwei Jahre währenden Amtszeit für die "Normalisierung Serbiens" nach den verheerenden Balkan-Kriegen und der Herrschaft von Slobodan Milosevic getan hat, hat positive Spuren hinterlassen. Eine Hälfte der serbischen Wähler weiß das zu schätzen. Für die andere Hälfte bleibt Djindjic ein "Krimineller" und "Lakai des Westens".

Erst Ende vergangenen Jahres sind die unmittelbaren Vollstrecker des Attentats verurteilt worden, nicht aber deren "politische Beschützer" und "Inspiratoren", meint Srdja Popovic, Anwalt der Djindjic-Familie. Noch direkter formuliert es Vladimir Popovic, einer der engsten Mitarbeiter von Djindjic: "Hinter den Attentätern und Putschisten stand das Büro von Vojislav Kostunica", damals Präsident der inzwischen zerfallenen Bundesrepublik Jugoslawien, heute Regierungschef Serbiens.

Der national-konservative Kostunica habe mit allen "erlaubten und unerlaubten" Mitteln gegen den Reformer gekämpft, sagt Korac. Ohne die Eliminierung von Djindjic stünde Kostunica nicht seit 2004 an der Spitze einer heute tief zerstrittenen und handlungsunfähigen Koalitionsregierung seiner SDS und der von Djindjic-Nachfolgern geführten Demokratischen Partei.

Zum dritten Koalitionspartner, der Wirtschaftspartei G17-Plus, hat Kostunica wegen tiefer Meinungsverschiedenheiten alle Kontakte abgebrochen. Die Rufe nach vorgezogenen Parlamentswahlen werden jeden Tag lauter, aber selbst darauf können sich die zerstrittenen Koalitionspartner nicht einigen.

Von Dubravko Kolendic, dpa

Quelle: ntv.de

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