Dossier

Bewachter Tanz Sicherheits-Partys in Moskau

Wenn in Moskaus Clubs weit nach Mitternacht die Tanzflächen brodeln, stehen sie scheinbar gelangweilt am Rand. Mal in schwarzem Anzug mit weißem Hemd, in lässigeren Etablissements auch gerne im dunklen Sweat-Shirt lassen die Herren vom Sicherheitsdienst ihren Blick über die tanzenden Gäste schweifen, immer auf der Suche nach Fehlverhalten. Als in der Menge ein junger Mann im blauen T-Shirt seine Freundin auf die Schulter hebt, stürmt sofort ein Türsteher auf ihn zu. "Nelsja" formen seine Lippen unter dem Lärm der Musik: "Das ist verboten." -wohl eines der häufigsten Wörter der Kontrolleure des Moskauer Nachtlebens.

"Wächter der Nacht" heißt Russlands erfolgreichster Film aller Zeiten, der 2005 auch in deutsche Kinos kam. Darin wachen Vampire auf den Straßen Moskaus über ihresgleichen. Die realen "Wächter der Nacht" der russischen Hauptstadt sind dagegen die Türsteher und Wachmänner in den Moskauer Bars und Clubs, in denen die Jugend der Zwölf-Millionen-Metropole bis zur ersten U-Bahn ausgelassen feiert.

Ob ein Abend zum Erfolg wird, entscheiden sie. "Fejskontrol" nennen die Russen die aus dem Englischen übernommene Praxis, die für Moskauer Zwecke mit einem Schuss Willkür angereichert zu sein scheint. Neben dem Kleidungsstil fließen Variablen wie das Männer-Frauen-Verhältnis im Club, Alter und Nationalität in die hochkomplizierte Gleichung ein, die die "perfekte" Party garantieren soll.

Zu viele Gäste scheinen dabei eher zu stören. Am Eingang schauen die meisten Türsteher zunächst auf die Größe der Gruppe. Bei mehr als Drei heißt es oft: "Tut mir Leid, heute Einlass nur mit Clubkarte." Unterdessen dürfen Pärchen ungefragt passieren. Alternativ ersetzt auch der gepanzerte Geländewagen oder nagelneue Porsche den Passierschein. Für das Fußvolk sind Diskussionen zwecklos, die Gründe für das Clubverbot beliebig. Selbst der wenig elitäre Club "Krisis Schanra" lehnte vor kurzem eine Gruppe von sechs Philologie-Studenten mit dem Argument ab, sie stellten eine "Terrorgefahr" dar.

Kaum eine Bar oder ein Club in Moskau kommt ohne Wachpersonal aus. Gerade in den wilden 1990er Jahren war der richtige Schutz oft unabdingbar. Heute werden Wachmänner nicht nur für den Notfall beschäftigt, sie suchen und finden ihre Aufgabe jederzeit. Mal gilt es, einen männlichen Gast zu retten, der von einer Frau zu offensiv angetanzt wird, mal einen Schnappschuss mit dem Fotohandy zu verhindern.

Die Studentin Anja staunte, als die Security des Clublokals "Petrowitsch" ihren Freund und sie während eines Kusses auseinanderzerrte. "Küssen in der Öffentlichkeit sei per Gesetz verboten, hieß es", erinnert sich Anja. "Als mein Freund dann sagte, er würde sein Mädchen küssen, wann und wo er wolle, wurde der Wachmann richtig grob." Derweil zuckte auf einem Podest schräg über ihr eine halbnackte Gogo-Tänzerin mit extatischen Bewegungen im Rhythmus der Bässe. Die hinreißend erotischen Frauen und Männer gehören in angesagten Clubs genau so zum unverzichtbaren Inventar wie Wodka, opulentes Essen und Musik.

Manche Einsätze der Sittenwächter offenbaren jedoch auch Unkenntnis der jeweiligen Subkultur: Bei einem Konzert der britischen Indie-Bands Art Brut und Maximo Park zerrte das Sicherheitspersonal massenweise verschwitzte, tanzwütige Studenten aus der Menge. "Der Security bot sich die Chance, ihre ganze Kunst des Unterbindens nichtsanktionierter Punk-Tänze zu zeigen", schrieb die Zeitung "Kommersant" süffisant in ihrer Konzertkritik. Die dienstbeflissenen "Wächter der Nacht" hatten die wilden Pogo-Tänze schlichtweg für Prügeleien gehalten.

Von Erik Albrecht, dpa

Quelle: ntv.de

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