Zwischenruf Sisyphusarbeit nötig
17.03.2006, 11:11 Uhrvon Manfred Bleskin
Alles begann mit einem Traum. Nach der Wiedervereinigung sagt der damalige Lufthansa-Chef, Heinz Ruhnau, Berlin brauche einen Flughafen in der Dimension des O’Hare Airport von Chicago mit jährlich 60 Millionen Passagieren. Was folgte, war eine "chronique scandaleuse".
Ohne dass auch nur ein einziger Stein bewegt wurde, sammelte sich ein Defizit in den Büchern, das mit rund 500 Millionen Euro nur annähernd beziffert ist. Dazwischen liegen Prozesse wegen Doppelmandaten von Aufsichtsräten auf der Bieter- und der Auftraggeberseite für den Bau des Großprojekts sowie der Verletzung des Neutralitätsgebots, die anschließend in gütliche Einigung mündeten, undurchsichtige Vergabepraktiken bei Werbeverträgen. Der Termin für die Fertigstellung wurde ständig verschoben.
Noch im April vergangenen Jahres sprach der damalige Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) von 2007; nunmehr ist von 2011 die Rede. Die Kosten sollen sich auf knapp zwei Milliarden Euro belaufen. Das ist das Doppelte von dem, was ursprünglich veranschlagt worden war. Inzwischen ist aber nur noch von 22 Millionen Fluggästen pro Jahr die Rede. Bleibt zu hoffen, dass von den 40.000 Arbeitsplätzen, die in der strukturschwachen Region im Zusammenhang mit dem neuen Flughafen entstehen sollen, schlussendlich nicht auch nur ein gutes Drittel übrig bleibt.
Natürlich braucht Berlin einen Flughafen, der seinem Status als Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland angemessen ist. Natürlich ist dazu weder Schönefeld in seinem jetzigen Zustand noch Tegel oder gar Tempelhof geeignet. Doch die Hauptstadt braucht auch eine Republik, dessen Zentrum sie ist. Aufgrund seiner Lage in einem vergleichsweise dünn besiedelten Gebiet wird Berlin Brandenburg International kaum in der Lage sein, dem Frankfurter Rhein-Main-Flughafen oder dem Franz-Josef-Strauß-Airport von München den Rang abzulaufen.
Hinzu kommt, dass mit der Föderalismusreform erst der Anfang gemacht wurde mit einer schleichenden Entmachtung des Bundes, was seinerseits einen schleichenden Abbau der Bedeutung Berlins als Kapitale nach sich zu ziehen droht? Man erinnere sich an die Verrenkungen, die in den reichen Ländern des deutschen Südens und Südwestens gemacht werden, wenn der Senat um Zuschüsse für Aufwendungen bettelt, die sich aus dem Hauptstadtcharakter Berlins ergeben. Solch banale Fragen wie die Bewachung der Botschaften oder die Sicherung von Staatsbesuchen, zum Beispiel. Was ist, wenn mit der Neuordnung des Länderfinanzausgleichs Berlin und Brandenburg noch ärmer werden als sie schon sind? Und was ist mit dem faktischen Verbot von Nachtflügen durch das Bundesverwaltungsgericht, das die Rentabilität des neuen Airports zumindest stark beeinträchtigen wird?
Der Bund, Brandenburg und Berlin müssen Sisyphusarbeit leisten, wenn sie aus der "chronique scandaleuse" eine "chronique honorable" machen wollen. Sonst wird der Traum ein Albtraum.
Quelle: ntv.de