Dossier

Macht, Ansehen, Geld Spitzenjobs in der EU

Der Kampf um die Spitzenposten der Europäischen Union tobt. 2009 sind die mit Macht, Ansehen und Geld gut ausgestatteten Arbeitsplätze zu besetzen. Und bereits beim EU-Gipfel am 19./20. Juni werden sich die Staats- und Regierungschefs mit der Postenvergabe befassen. Wenige Monate vor der Entscheidung über den neuen Posten eines "Präsidenten des Europäischen Rates" ist den Regierenden aufgefallen, dass niemand wirklich weiß, was dieser Präsident eigentlich tun soll. Wichtiger noch: Was er nicht tun darf.

Es gilt, über ein großes Personalpaket zu entscheiden, weil bei der EU alles mit allem zusammenhängt. Sollte der "Lissabonner Vertrag", auf den sich die Staats- und Regierungschefs nach dem Scheitern der EU-Verfassung mühsam einigten, wie geplant bis zum Jahresende von allen 27 Mitgliedstaaten ratifiziert worden sein, so müssen die politischen Gewichte auch personell neu justiert werden.

Streit ist vorprogrammiert

Die Gipfelrunde hatte trotz der erkennbaren Probleme entschieden, der neue EU-Vertrag solle zum 1. Januar 2009 in Kraft treten. Das bedeutet, dass bis dahin zwei Posten vergeben werden müssen. Zum einen der des EU-Außenministers, der jedoch noch immer nicht so heißen darf und sich mit dem Titel "Hoher Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik" begnügen muss. Der "Außenminister", bisher der Spanier Javier Solana, bekommt vom neuen Vertrag auch erweiterte Befugnisse und einen eigenen diplomatischen Dienst.

Zum anderen wird es einen neuen EU-Ratspräsidenten geben. Er soll laut Vertrag den Vorsitz der EU-Gipfel führen und diesen "Impulse" geben, für die "Vorbereitung und Kontinuität" der Gipfelarbeit sorgen sowie "Zusammenhalt und Konsens" im Europäischen Rat fördern. Bevor der erste Amtsinhaber des Prestigejobs unter französischer Ratspräsidentschaft ausgeguckt wird, möchte nicht nur die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in der Juni-Gipfelrunde unter slowenischem Vorsitz die Arbeitsplatzbeschreibung des neuen Präsidenten genauer festlegen: "Ich bin dafür, die anstehenden Personalfragen erst zu klären, wenn die Strukturfragen geklärt sind."

Das findet den Beifall des heißesten Kandidaten für den Posten des Ratsvorsitzenden, des luxemburgischen Premierministers Jean-Claude Juncker (53). Der dienstälteste EU-Regierungschef hatte bereits im März wissen lassen, er stehe zwar zur Verfügung - aber nur, wenn er "kein Grüßaugust und kein Frühstücksdirektor" sein solle. Er wolle einen "gestaltenden Einfluss auf die Weiterentwicklung der europäischen Politik" ausüben. Doch Streit mit den alle sechs Monate zwischen den Mitgliedstaaten wechselnden "normalen" Präsidentschaften in den Ministerräten ist programmiert. Dort, wo Politik täglich gemacht wird, wollen die jeweils amtierenden Präsidentschaften nach außen in Erscheinung treten und das Feld nicht dem Präsidenten des Europäischen Rates überlassen.

Frauen fehlen in sämtlichen Spekulationen

Sollte der Christsoziale Juncker den Posten dennoch übernehmen, so müsste der Außenminister nach unstrittiger EU-Arithmetik ein Sozialdemokrat werden. Das macht ein Verbleiben des spanischen Sozialisten Solana in diesem Amt wahrscheinlich, aber keineswegs sicher. So gilt Schwedens Außenminister Carl Bildt, obwohl kein Sozialdemokrat, als möglicher Solana-Nachfolger. Auch die neuen, östlichen Mitglieder, wollen bei den Spitzenjobs gefragt werden - und eine Frau fehlt bisher in sämtlichen Spekulationen.

Richtig kompliziert wird das Personalpuzzle dadurch, dass der extrem wichtige Posten des EU-Kommissionspräsidenten erst nach der Sommerpause 2009 neu zu besetzen ist. Erst wenn sicher ist, wie "Schwarze" und "Rote" bei den Europaparlamentswahlen im Juni 2009 abgeschnitten haben, wird feststehen, ob der jetzige Kommissionschef Jos Manuel Barroso auf weitere fünf Jahre im Amt hoffen darf. Der portugiesische Konservative wird allerdings auch als möglicher Interessent für das Amt des Ratspräsidenten gehandelt. Besonders, falls Juncker abwinken sollte.

Wer in der Kommission ab Herbst 2009 als deutscher Vertreter dem jetzigen Industriekommissar Günter Verheugen (SPD) nachfolgt, beschäftigt derzeit vor allem die Koalition in Berlin. EU-Diplomaten nehmen besonders zur Kenntnis, dass Deutschland dem Anschein nach auch bei dieser Personalrunde keinen Anspruch auf den Posten des Kommissionspräsidenten erhebt. Gründungspräsident Walter Hallstein war der erste und letzte Deutsche auf diesem Posten. Seit er 1967 ausschied, stellten Frankreich, Luxemburg und Italien beispielsweise schon je zwei Präsidenten, Deutschland keinen.

Von Dieter Ebeling, dpa

Quelle: ntv.de

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