Dossier

Rezession abfedern? Streitpunkt Konsumgutscheine

In der Debatte um Maßnahmen gegen die Rezession fordern Politiker wie die stellvertretende SPD-Vorsitzende Andrea Nahles sowie führende Ökonomen Konsumgutscheine für die rund 82 Millionen Bürger in Deutschland. Deren Wirkung ist umstritten.

Auf welchen Betrag sollten die Konsumgutscheine ausgestellt sein?

Der "Wirtschaftsweise" Peter Bofinger fordert 125 Euro für jeden Bürger. Allerdings nur, wenn man nicht mehr als 63 000 Euro pro Jahr verdient. Mit einem festen Ablaufdatum soll garantiert werden, dass die Bürger die Schecks schnell bei Banken eintauschen. Das würde den Staat 10 Milliarden Euro kosten. Der Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach (SPD) schlägt vor, dass alle Erwachsenen einen Gutschein über 500 Euro bekommen, mit dem binnen acht Wochen Güter gekauft oder Rechnungen von Handwerkern beglichen werden könnten - wenn auch ein Eigenanteil von 200 Euro geleistet wird. Viele Ökonomen sagen, dass ein Gutschein von mindestens 500 Euro notwendig sei, um einen kurzen, schnell verpuffenden "Strohfeuereffekt" zu vermeiden. Das würde den Staat mindestens 40 Milliarden Euro kosten.

Warum gibt es nicht einfach Steuerrückzahlungen?

Nach Angaben von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zahlen 40 Prozent der Bürger keine Steuern, sie würden leer ausgehen. Aber gerade untere Bevölkerungsschichten und "Nicht-Steuerzahler" könnten nach Angaben von Experten in Krisenzeiten eine kleine Unterstützung gut gebrauchen, da sie von der Rezession besonders getroffen werden.

Wann wäre der beste Zeitpunkt für Konsumschecks?

Anfang des neuen Jahres, sagen die meisten Ökonomen. In der Weihnachtszeit geben die Menschen noch relativ viel Geld für den Konsum aus, zudem wird die Krise erst 2009 für alle Bürger spürbar werden. Hinzu kommt, dass die Energiepreise im Winter vielerorts weiter steigen. Wenn die Bürger im Januar oder Februar Gutscheine bekämen, könnten sie damit Erhöhungen abfedern, sagt Ökonom Bofinger. Der Effekt der Geld-Schenkung würde zumindest bis zum erwarteten Sinken der Energiepreise im Frühjahr andauern.

Wie könnte der Bürger Geld für die Schecks bekommen?

Entweder durch eine Einlösung bei Banken oder in Geschäften. Der "Wirtschaftsweise" Bofinger ist für die erste Variante, da gerade die Bürger unterer Einkommensschichten kaum sparen und ihr Geld direkt ausgeben würden. Zudem hätten sie so die Freiheit, auch hohe Energierechnungen besser bezahlen zu können, statt sich zu verschulden. Der Vorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Dieter Ondracek, ist hingegen für eine Einlösung bei Geschäften, da sonst das Geld auf den Bankkonten landen würde. Damit die Schecks nicht weiterverkauft würden und ein Schwarzmarkt entstünde, dürften sie nur gegen Vorlage des Ausweises eingelöst werden.

Wäre der bürokratische Aufwand nicht viel zu hoch?

Nein, sagt die Deutsche Steuer-Gewerkschaft. Allerdings wäre der Versand der Schecks einfacher, wenn die Steueridentifikationsnummer, mit der jeder Bürger eine fest Nummer bekommt, schon einsatzbereit wäre. Dies ist aber erst in einigen Monaten der Fall. Deshalb müssten wahrscheinlich alle Bürger, die Steuern zahlen, ihre Schecks über das Finanzamt bekommen, Empfänger von Sozialleistungen wie Hartz IV bekämen das Geld vom Sozialamt, nicht erfasste Personen müssten sich selbst melden. Damit es nicht zu Doppelzahlungen kommt, schlägt die Steuer-Gewerkschaft einen Abgleich mit den bereits für alle 82 Millionen Deutschen vorhandenen Steueridentifikationsnummern vor.

Kann das wirklich den Abschwung abfedern?

Das hängt vom Konsumentenverhalten ab. In den USA wurden zu Beginn des Jahres Schecks in Form von Steuerrückzahlungen ausgegeben - jeder Bürger bekam bis zu 300 Dollar. Da die Bürger hier kaum Geld sparen, gingen sie damit direkt einkaufen und verhinderten kurzfristig einen schnelleren Abschwung. Langfristig ist die Wirkung nach Angaben des Ökonomen Joachim Scheide von Institut für Weltwirtschaft verpufft. In Japan, wo mehr gespart wird, sind mit Konsumschecks eher schlechte Erfahrungen gemacht worden - nur rund ein Drittel wurde ausgegeben, der Rest landete auf dem Sparkonto. Da auch die Deutschen in der Krise in der Regel lieber ihr Geld horten, müssten Konsumschecks so gestaltet sein, dass sie direkt ausgeben werden müssen.

Wie groß könnte die Wirkung in Deutschland sein?

Das ist umstritten: Würden 500 Euro pro Person verteilt, könnte ein Effekt von 60 Milliarden Euro für die Wirtschaft erzielt werden. Bedenkt man, dass die Gesamt-Wirtschaftsleistung in Deutschland im vergangenen Jahr 2423 Milliarden Euro betragen hat, wäre der Effekt nicht groß. Zudem würden in hohem Maße neue Schulden entstehen, die in besseren Zeiten zurückgezahlt werden müssten.

Warum ist der Einzelhandel gegen Konsumschecks?

Der Einzelhandel glaubt, dass dies dazu verführen könnte, mit Einkäufen - zum Beispiel in der wichtigen Weihnachtszeit - bis zur Ausgabe der Schecks zu warten. Zur Stärkung des Konsums werden stattdessen dauerhafte Senkungen von Steuern und Abgaben gefordert.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen