Präsidentenwahl in Serbien Tadic gegen Nikolic
20.01.2008, 00:00 UhrBei der Präsidentenwahl in Serbien an diesem Sonntag entscheiden sich die Wähler nicht nur zwischen neun Kandidaten. Es geht auch um eine Entscheidung über den künftigen Weg Serbiens. Das Dilemma "für oder gegen Europa" ist eng verknüpft mit den Folgen der bevorstehenden und für Serbien wahrscheinlich eher ungünstig ausfallenden Lösung der Kosovo-Frage.
Laut Umfragen steht ein neues Duell zwischen Tomislav Nikolic von der extrem-nationalistischen Serbischen Radikalen Partei (SRS) und Boris Tadic, dem aktuellen Präsidenten und Chef der Demokratischen Partei (DS) bevor. Bei den vorherigen Wahlen, im Juni 2004, bekam Tadic im zweiten Wahlgang die Mehrheit der Stimmen.
Die Kontrahenten stehen für zwei vollkommen entgegengesetzte politische Projekte. Tadic tritt für ein demokratisches, wirtschaftlich entwickeltes Serbien ein, dessen einziger Weg der in Richtung EU ist. Er war Mitarbeiter des 2003 in Belgrad ermordeten reformorientierten Regierungschefs Zoran Djindjic. Falls Tadic wiedergewählt werden sollte, könnte Serbien noch bis Jahresende Kandidat für die EU-Mitgliedschaft werden, meint Bozidar Djelic, serbischer Vizeregierungschef und Tadic-Anhänger.
Offen gegen die EU
Dagegen ist Nikolic ganz offen gegen die EU, weil sie die Unabhängigkeit des Kosovos befürworte. Und er ist auch gegen die USA und die NATO wegen der Luftangriffe in der Kosovo-Krise 1999. Er würde die vom UN-Tribunal angeklagten serbischen Kriegsverbrecher nicht verfolgen und befürwortet engste politische und militärische Bindungen an Russland.
Gemeinsam vertreten Tadic und Nikolic aber einen Standpunkt: Die mehrheitlich von Albanern bewohnte Provinz Kosovo muss in Serbien bleiben und darf nicht unabhängig werden. Unter den insgesamt neun Präsidentschaftskandidaten ist nur ein einziger, der Liberale Cedomir Jovanovic, der ganz offen sagt, dass sich Serbien wegen der falschen Politik in der Vergangenheit mit dem Verlust der abtrünnigen Provinz abfinden müsse. Es gehe um die Zukunft, nicht um die Vergangenheit.
Den sieben Kandidaten neben Tadic und Nikolic werden aber ohnehin keine Chancen eingeräumt. Trotzdem werden ihre Anhänger bei der Stichwahl am 3. Februar über den Sieger entscheiden - Tadic oder Nikolic. Nikolic könnte im ersten Wahlgang mit 21 Prozent der abgegebenen Stimmen rechnen, Tadic mit 19, errechnete das Belgrader Wahlbeobachtungszentrum CeSID. Die anderen Kandidaten kommen jeweils nur auf drei bis vier Prozent der Stimmen.
Zerreißprobe für die Koalitionsregierung
Nikolic kann auf das Wählerpotenzial des Bewerbers der Milosevic-Sozialisten zählen. Tadic könnte im zweiten Wahlgang mit den Stimmen der Wähler des Liberalen Jovanovic und der nationalen Minderheiten rechnen.
Der Wahlkampf wurde zur Zerreißprobe für die Koalitionsregierung der Tadic-Demokraten und des "Nationalen Blocks" um Ministerpräsident Vojislav Kostunica. Kostunica versagte Tadic die Unterstützung und stellte sich hinter seinen mächtigen Minister Velimir Ilic, der auch im Rennen für das Präsidentenamt ist. Unklar blieb weiterhin, wie die Ilic-Wähler im zweiten Wahlgang abstimmen würden.
Vom Ergebnis der Stichwahl Anfang Februar wird auch die Zukunft der Regierung abhängen, meinen serbische Experten. Eine Niederlage von Tadic könnte zum Fall der Koalitionsregierung führen, danach könnte sich Kostunica für den Extremisten Nikolic als neuen Verbündeten entscheiden. Ideologisch und politisch steht Kostunica Nikolic viel näher als Tadic, sagt der Belgrader Kommentator Milos Vasic.
Der Populist Ilic bezeichnet Tadic in seinen Wahlreden als "Antichristen und Satan", der nichts für den Schutz des Kosovos unternommen habe. Ähnlich klingt auch Nikolic, der Vizeregierungschef unter dem früheren serbischen Machthaber Slobodan Milosevic war. Vojislav Seselj, gegen den vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ein Prozess wegen Kriegsverbrechen läuft, ist Nikolics Parteichef. Sollte er siegen, werde er Seselj zum Ministerpräsidenten ernennen, versprach Nikolic. Wie der angeklagte Kriegsverbrecher aus der UN-Gefängniszelle das Amt des Regierungschefs ausüben soll, sagt Nikolic allerdings nicht.
Von Dubravko Kolendic, dpa
Quelle: ntv.de