Dossier

Chinas Premier in Japan Tauwetter in Ostasien?

Erstmals seit fast sieben Jahren reist mit Wen Jiabao wieder ein chinesischer Ministerpräsident nach Japan. Es ist noch nicht lange her, da waren die Beziehungen zwischen den beiden asiatischen Schwergewichten auf den tiefsten Stand seit Jahrzehnten gerutscht. Ursache waren die wiederholten Besuche des früheren japanischen Ministerpräsidenten Junichiro Koizumi im umstrittenen Yasukuni-Schrein für japanische Kriegstote, wo auch verurteilte Kriegsverbrecher geehrt werden, denen Gräueltat in China angelastet werden. Erst sein Nachfolger, der Konservative Shinzo Abe, sorgte für eine Verbesserung im Verhältnis, da er von solchen Pilgergängen absieht. So wurde Abe schon im Oktober in Peking willkommen geheißen.

"Das Eis schmelzen"

Nun soll der Gegenbesuch seines Amtskollegen Wen Jiabao vom 11. bis 13. April "wahrlich das Eis schmelzen", wie Chinas Regierungschef selber sagte. Beide Seiten wollen ein gemeinsames Dokument zum "gegenseitigen Respekt" verabschieden. Es solle der Schaffung "strategischer Beziehungen von gegenseitigem Nutzen" dienen und werde zeigen, dass sich die Beziehungen "in eine neue Phase" bewegen, sagte der chinesische Ministerpräsident vor japanischen Journalisten. War bei Abes Besuch in Peking vom "Wendepunkt" die Rede, stehen die Zeichen jetzt auf Tauwetter, was nicht bedeutet, dass es keine Differenzen gibt.

Beide Regierungen verhandeln unverändert zäh über die Ausbeutung von Gasfeldern im ostchinesischen Meer. China will zudem, dass Tokio in dem gemeinsamen Dokument bekräftigt, in der Taiwan-Frage an seiner Ein-China-Politik festzuhalten. Peking ist verärgert, dass Japan und die USA die friedliche Lösung des Streits um Taiwan neuerdings als ein Ziel ihrer Sicherheitskooperation definieren. Peking betrachtet Taiwan nur als abtrünnige Provinz und droht bei einer Unabhängigkeit mit Krieg. Japan sucht seinerseits vergeblich das Verständnis Pekings für sein Streben nach einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat.

Experten sind skeptisch

Chinesische Experten erkennen, dass beide Regierungschefs an einem Strang ziehen, um das Verhältnis voranzubringen, sind aber skeptisch: "Da die politischen Grundlagen sowie die Gefühle und Meinungen im Volk über die Beziehungen zwischen China und Japan vergleichsweise brüchig sind, wird es ein langer und schwieriger Prozess sein, das Verhältnis aufzubauen", zitierte das kommunistische Parteiorgan "Volkszeitung" Jin Xide von Chinas Akademie der Sozialwissenschaften.

Konfliktpotenzial steckt unverändert in Japans Umgang mit seiner kriegerischen Vergangenheit. Abe löste jüngst international Kritik und Irritation aus, als er behauptete, es gebe keine Beweise für eine Beteiligung der kaiserlichen Armee an der Zwangsrekrutierung von Sex-Sklavinnen während des Zweiten Weltkriegs. Dann entschuldigte sich Abe aber für das, was damals geschehen ist. Seine Regierung halte an der Erklärung des früheren Regierungssprechers Yohei Kono von 1993 fest, worin sich Japan dafür entschuldigte, dass die Armee an der Einrichtung und Unterhaltung von Frontbordellen beteiligt war.

Abe als pragmatischer Staatsmann

Abe versucht den Spagat: Einerseits will er mit nationalistischen Tönen verlorene Zustimmung im eigenen rechten Lager zurückholen, sich zugleich aber international als pragmatischer Staatsmann darstellen. Viele Konservative sind enttäuscht von Abes Kompromissbereitschaft. Dazu gehört, dass er gleich nach seinem Amtsantritt im September nach China und Südkorea gereist ist. Bisher hat China auf Abes Umgang mit der Frage der früheren Sex-Sklavinnen noch zurückhaltend reagiert, um die Annäherung nicht zu gefährden. Doch Peking ist vorgewarnt.

In einem Punkt hat China unmissverständlich klar gemacht, dass es eines nicht akzeptiert: Neue Pilgergänge zum Yasukuni-Schrein. "Einzelne japanische Führer haben (den Schrein) mehrere Male besucht und die Gefühle des chinesischen Volkes verletzt", sagte Wen Jiabao vor seinem Besuch. "Ich hoffe, dass das niemals wieder passiert."

Von Lars Nicolaysen und Andreas Landwehr, dpa

Quelle: ntv.de

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