Regierungsbildung ungewiss Timoschenko triumphiert
01.10.2007, 09:14 UhrEs war die Wahl der Julia Timoschenko: Ihr Block (BJuT) konnte bei der vorgezogenen Parlamentswahl in der Ukraine nach ersten Prognosen um knapp 10 Prozent auf 31,5 Prozent zulegen. Damit landete die erklärte Kämpferin gegen die in der Ex-Sowjetrepublik verbreitete Korruption knapp hinter der Partei der Regionen des bisherigen Regierungschefs Viktor Janukowitsch (35,2 Prozent). Der Kiewer Fernsehsender 5. Kanal erklärte sie umgehend zum "Triumphator" des Wahlabends. Doch ob die Politikerin mit dem traditionellen ukrainischen Haarkranz Janukowitsch den Regierungsauftrag nehmen kann, wird erst das endgültige Wahlergebnis zeigen. Janukowitsch kündigte seinerseits an, eine neue Koalition zu bilden.
Zwar kamen die prowestlichen Kräfte aus BJuT und der Partei Unsere Ukraine von Präsident Viktor Juschtschenko (13,4 Prozent) laut den Wählerbefragungen zunächst auf eine Mehrheit der Sitze im neuen Parlament. Der Vorsprung vor dem gegnerischen Lager um Janukowitsch war aber hauchdünn. Auch nach der Wahl vom Sonntag bleibt die Ukraine damit politisch tief gespalten. Dabei fand Unsere Ukraine ihre Wähler vor allem im ukrainischsprachigen Westen. Die Partei der Regionen blieb in weiten Teilen des russischsprachigen Ostens verankert. Zünglein an der Waage könnte der Block des früheren Parlamentsvorsitzenden Wladimir Litwin (3,7 Prozent) werden, der theoretisch in der Lage ist, mit beiden Lagern zu paktieren.
Timoschenko als Alternative
"Die Menschen haben Julia Timoschenko ihr Vertrauen ausgesprochen", kommentierte der ukrainische Politologe Michail Pogrebinski den Wahlerfolg von BJuT. Im Dauerstreit zwischen Präsident und Regierungschef schaffte es Timoschenko, sich als Alternative zu den beiden Politikern zu präsentieren. Die 46-Jährige empfahl sich damit auch für das Präsidentenamt. "Ich glaube, dass unsere Partei bei der Präsidentenwahl mehr als 50 Prozent der Stimmen gewinnen kann", sagte Timoschenko, noch bevor das Ergebnis der Parlamentswahl feststand.
Die Politikerin überzeugte in einem körperlich harten Wahlkampf nicht nur mit einer Mischung aus Antikorruptionsparolen, einem entschiedenen Westkurs und ukrainischem Patriotismus, sondern auch mit einer gehörigen Portion weiblichem Charme. "Ich will, dass sich die Ukraine von den Knien erhebt", formulierte Timoschenko auf ihrer Abschlusskundgebung am Freitag in Kiew ihr politisches Ziel. Umfragen vor der Wahl sahen Timoschenkos Block als die einzige politische Kraft, die für das ganze Land wählbar ist.
Knappe Mehrheiten
Unabhängig davon, welches Lager das Kopf-an-Kopf-Rennen um die Vorherrschaft in der Obersten Rada gewinnt, dürfte die Regierungsbildung in der Ukraine erneut schwierig werden. Zu knapp sind die Mehrheiten. Sollte das prowestliche Lager führen, haben Juschtschenko und Timoschenko zwar zuletzt demonstrativ Entschlossenheit gezeigt, ihre Koalition "der demokratischen Kräfte" von 2005 zu erneuern. Doch die Verbündeten der Orangenen Revolution von 2004 trennt genug, was eine Regierungsbildung erschweren könnte.
Außerdem gab sich auch der bisherige Regierungschef Janukowitsch siegesgewiss. Für ihn käme eine Koalition mit den Kommunisten (5,1 Prozent) und dem Block Litwin in Frage. Auch ein Bündnis mit Juschtschenkos Partei wäre denkbar. Zwar hatte Juschtschenko eine Koalition mit seinem Erzfeind noch am Donnerstag kategorisch ausgeschlossen, doch könnte er so zumindest einen gewissen Einfluss auf die Regierungspolitik behalten. In diesem Fall rechnen Beobachter jedoch mit einer Fortsetzung des Kompetenzgerangels zwischen Regierung und Präsident.
Von Erik Albrecht, dpa
Quelle: ntv.de