Dossier

Einfach "gute Stimmung" machen Treffen in Annapolis

Selbst der politische Sekretär der amerikanischen Botschaft in Tel Aviv weiß noch nichts genaues über den "Nahostgipfel" in Annapolis, zu dem Bush geladen hat. Doch erst einmal korrigiert er die Frage: "Bush redet nur von einem Treffen und nicht von einer Konferenz oder gar einer Friedenskonferenz. Und das alles unterscheidet sich von einem Gipfel, bei dem unbedingt Ergebnisse herauskommen müssen." Die bewusst gewählte Formel eines "Treffens" solle die Erwartungen dämpfen. Dem Diplomaten ist nicht einmal bekannt, welche Länder in welchem Rang nach Annapolis eingeladen werden sollen. Sollte Syrien kommen, könnte das einen Keil in die Allianz Iran, Syrien und Hisbollah treiben. Eine Beteiligung Saudi Arabiens käme einer halben Anerkennung Israels gleich. Obgleich der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern im Mittelpunkt stehen soll, verwenden Palästinenser schon die Taktik, ihr Fernbleiben anzudrohen, falls Israel nicht ihre Forderungen erfülle. "Die Einladungen sind noch nicht gedruckt", schloss der Diplomat, der mit Journalisten nicht reden darf.

Derweil schaffen die schwachen Führer Israels und der Palästinenser, Ehud Olmert und Mahmoud Abbas, mit Treffen alle zwei Wochen, "gute Stimmung" und bauen Vertrauen auf.

General a.D. Dany Rothschild, der an allen Verhandlungen mit Ägypten und den Palästinensern teilnahm, sagte bei einer Pressekonferenz, dass alle Streitpunkte "vorwärts und rückwärts, rauf wie runter" ausdiskutiert worden seien. Beide Seiten hätten seit den Osloer Verträgen einen langen Weg zurückgelegt. "1973 wollte der palästinensische Unterhändler Haider Abdel Schafi noch den Saal verlassen, wenn Israel nicht einer Rückkehr jedes palästinensischen Flüchtlings in sein altes Heim in Israel zustimme. Derweil habe Abbas zugestimmt, dass die Flüchtlinge in den künftigen palästinensischen Staat wandern sollten, während Israel nur Einzelne aufnehme." Das Problem heute seien weniger Beschlüsse zu Grenzverlauf, Teilung Jerusalems oder die Flüchtlingsfrage, sondern vielmehr "die Modalitäten zur Umsetzung". Die Frage sei, ob Olmert die Zustimmung der Knesset zu einem weiteren Vertrag mit den Palästinensern erhält, nachdem mit der gewaltsamen Intifada und der Machtübernahme der islamistischen Hamas im Gazastreifen fast alle bisherigen Verträge gebrochen worden seien. Für den palästinensischen Präsidenten und die PLO könnte ein Vertrag mit Israel "das politische Begräbnis" bedeuten. Die Hamas versuche auch im Westjordanland, die Oberhand zu gewinnen.

Der General erzählt, einst sechs Stunden lang mit dem von Israel liquidierten Hamas-Führer Abdel Asis Rantisi diskutiert zu haben. Rantisi habe ihm gesagt, dass das strategische Ziel der Hamas ein Verschwinden Israels aus der Region sei, weil es für den Islam nicht akzeptabel sei. Doch ihr taktisches Ziel sei es, die weltliche PLO zugunsten einer islamischen Regierung abzusetzen. Als gäbe es eine islamistische Internationale, redete Rantisi von "unserem Fehler", den ägyptischen Präsidenten Anwar el Sadat ermordet zu haben. "Wir haben einen ganz schlechten Deal gemacht, denn sein Nachfolger Hosni Mubarak stellte sich als noch brutaler gegenüber den Moslembrüdern heraus." Für Rothschild stellen heute die Islamisten in Ägypten, in den Palästinensergebieten, im Libanon und sogar in Jordanien die größte Gefahr für die Zukunft dar. "Gleichgültig ob Israel den Libanonkrieg vom letzten Sommer gewonnen oder verloren hat, muss man sich fragen, ob der Krieg die Hisbollah näher an eine Machtübernahme in Beirut gebracht hat", sagte Rothschild und antwortete mit einem "Ja". Ungewiss sei auch die Zukunft Ägyptens, sowie der 78 Jahre alte Mubarak abtritt. "Das könnte ein Ende der ruhigen Grenze zwischen Israel und Ägypten sein", befürchtet er.

Während der amerikanische Diplomat staunt, dass "keinerlei Inhalte" aus den Gesprächen Olmert-Abbas an die Öffentlichkeit dringen, mutmaßt Rothschild, dass Olmert und Abbas nur darüber diskutieren, wie sie einander stärken könnten, um einen Friedensvertrag ihren Wählern und ihrer Bevölkerung am besten zu "verkaufen".

Von israelischen Politikern und arabischen Zeitungen vorgetragene "Ideen" zu einer Aufteilung Jerusalems könnten Versuchsballons sein, um die Stimmung in der Bevölkerung auszuloten. So wärmte der Vizepremier Chaim Ramon die Idee einer Teilung Jerusalems auf, wie sie Premierminister Ehud Barak schon in Camp David im Sommer 2000 vorgeschlagen und Präsident Clinton in seinen Friedensplan vom 23. Dezember 2000 eingebaut hat. Der rechtsgerichtete Avigdor Liberman schlug vor, alle arabischen Viertel Jerusalems abzustoßen, aber die Altstadt mitsamt dem "Heiligen Becken" bei Israel zu belassen. Eine arabische Zeitung will erfahren haben, dass Israel den Tempelberg mit der El Aksa Moschee an der Stelle des salomonischen Tempels unter die Obhut Jordaniens stellen wolle. Olmerts Büro dementierte heftig. Gleichwohl hat Jitzhak Rabin diesen Schritt schon 1994 gegenüber König Hussein verkündet und teilweise vollzogen. Die Palästinenser bestehen auf einer Teilung Jerusalems wie vor 1967, während Interessenten wie der Vatikan von einer "internationalen Regelung" für Jerusalem träumen.

Von n-tv Nahostkorrespondent Ulrich W. Sahm, Jerusalem

Quelle: ntv.de

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