Dossier

Parlamentsmehrheit unsicher Tschechische Regierung wackelt

Tschechiens konservativem Ministerpräsidenten Mirek Topolanek stehen harte Zeiten bevor. Ihm fehlt eine belastbare Mehrheit im Prager Parlament, weil während der Sommerpause mehrere Koalitionsabgeordnete aus den Fraktionen des Drei-Parteien-Bündnisses ausgetreten sind. Und das zu einer Zeit, in der die Regierung nicht nur den Haushalt sondern auch den umstrittenen EU-Reformvertrag und die Pläne für das US-Raketenabwehrsystem durchs Parlament bringen muss. Mehr noch: Am 1. Januar übernimmt Tschechien für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft.

"Wir brauchen endlich eine Regierung, die über eine deutliche Mehrheit verfügt, um etwas zu erreichen und abzuschließen", forderte Staatspräsident Vaclav Klaus bereits. Die Opposition machte sich unterdessen für ein aus Experten bestehendes "Beamtenkabinett" stark, um die innenpolitische Krise noch vor der am 1. Januar zu entschärfen.

Nur noch 97 sichere Stimmen

Bereits nach der Parlamentswahl im Juni 2006 hatte es sieben Monate gebraucht, bis in Prag eine Koalition aus Topolaneks Bürgerpartei (ODS), Christdemokraten und Grünen ausgehandelt war. Weil das Bündnis nur über 100 der 200 Sitze im Parlament verfügte, war man von Beginn an auf die Stimmen einiger eigentlich oppositioneller Sozialdemokraten angewiesen.

Nun aber verließen im Zuge eines Richtungsstreits bei den Grünen und einer Spitzel-Affäre innerhalb der ODS drei Abgeordnete die Koalition, andere "Parteirebellen" drohen unverhohlen mit ähnlichen Schritten. Die Prager Zeitungen zählen allenfalls noch 97 sichere Stimmen für Topolanek und sein Kabinett.

Partei auf Kurs halten

Machtbewusst wehrt Topolanek sich öffentlich. In der ODS, so der Parteivorsitzende, seien "Spalter" am Werk. "Der Streit, der sich jetzt in der ODS abspielt, ist schon seit sechs Jahren virulent", meinte Topolanek kürzlich in einer TV-Talkshow - und nannte Namen: Der Prager Bürgermeister Pavel Bem gefährde mit kritischen Medienauftritten die Einheit der ODS. Dem ehemaligen Finanzminister Vlastimil Tlusty gehe es darum, ihm, Topolanek, persönlich zu schaden. Trotzdem werde er die Partei auf Kurs halten, versprach der Regierungschef.

"Die Regierung kann auf keinen Fall weiterregieren, wenn der Staatshaushalt nicht verabschiedet wird", sagt allerdings selbst Jiri Cunek, Vorsitzender der Christdemokraten und stellvertretender Ministerpräsident. "Wird dort regiert oder nur noch agiert?", fragen sich angesichts dessen auch viele Kommentatoren.

Schon in der zweiten Oktoberhälfte stehen in Tschechien Regional- und Senatswahlen an, Umfragen zufolge muss die ODS Verluste einkalkulieren. Spätestens danach will die Opposition Topolanek im Parlament zur Vertrauensfrage zwingen. Der allerdings hat in dieser Legislaturperiode schon drei Misstrauensvoten überstanden - weil Topolaneks bürgerliche Kritiker letztendlich nicht mit den Sozialdemokraten und Kommunisten stimmen wollten.

Quelle: ntv.de, Jakob Lemke, dpa

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