Wulff drückt aufs Tempo "Turbo-Abi" in Niedersachsen
18.03.2009, 10:01 UhrNiedersachsen drückt aufs Tempo. Die Regierung von Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) ist entschlossen, das "Turbo-Abitur" trotz massiver Proteste auch an allen Gesamtschulen einzuführen. Am Dienstag billigten die Koalitionsfraktionen von CDU und FDP diesen Teilaspekt des Schulkonzeptes von Kultusministerin Elisabeth Heister-Neumann (CDU) ohne Murren. Noch in diesem Jahr soll ein entsprechender Gesetzentwurf mit den schwarz-gelben Stimmen im Landtag verabschiedet werden. 2019 würden dann niedersächsische Gesamtschüler ihr Abitur nach zwölf Jahren ablegen.
Der Aufschrei von Lehrern, Eltern, Schülern und Verbänden war enorm, als Wulff und Heister-Neumann Ende Februar ihre Pläne präsentierten. "Das macht kein (Ministerpräsident Roland) Koch in Hessen und kein (Jürgen) Rüttgers in Nordrhein-Westfalen", schimpft der Landeschef der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Eberhard Brandt. Der Vorwurf: Mit dem zusätzlichen Druck werde das Konzept der Integrierten Gesamtschulen (IGS) zerstört. Es vergeht zurzeit keine Woche, in der nicht an einer Gesamtschule protestiert wird. Als nächstes sind eintägige Schülerstreiks geplant.
Zwölf-Jahres-Gymnasien beliebt
Die Fraktionen zeigten sich aber nur hinsichtlich einiger Pläne zur Unterrichtsversorgung kompromissbereit. Beim "Turbo-Abi" an Gesamtschulen blieben sie standfest. Dies sei international Standard, befand CDU-Fraktionschef David McAllister. "Ich halte diesen Weg grundsätzlich für richtig." Sein Stellvertreter Karl-Heinz Klare sieht Niedersachsen in diesem Punkt bundesweit bereits als ein Vorreiter.
Viele IGS-Schulleiter berichteten zuletzt von einem Schüler-Zulauf von den Gymnasien, wo das Abitur nach zwölf Jahren bereits eingeführt wurde. Dort klagen Schüler massiv darüber, dass der Umfang des Unterrichtsstoffs trotz verkürzter Schulzeit derselbe geblieben sei. McAllister räumte dies als "Fehler der Politik" ein. Es werde jedoch bereits entsprechend am Lehrplan gearbeitet.
Gesamtschulen müssen sich Wettbewerb stellen
Die Landesregierung hält sich mit Bedenken von Schülern, Eltern und Lehrern nicht auf. "Das ist der Wettbewerb, dem sich auch die Gesamtschulen stellen müssen", hatte Wulff bei der Vorstellung des Schulkonzepts gesagt. Auch CDU-Fraktionsvize Klare ist überzeugt, dass die Gesamtschul-Abiturienten auf dem Arbeitsmarkt beim Festhalten an der 13-jährigen Schulzeit künftig das Nachsehen hätten.
Opposition, Verbände und Lehrer werfen der Regierung dagegen "ideologische Verbohrtheit" vor. "Politisch kann man Böswilligkeit gegenüber den Gesamtschulen unterstellen" sagte die Leiterin der IGS Osterholz-Scharmbeck, Inge Kerlinski. Bis 2008 war die Neugründung von Gesamtschulen von der Regierung Wulff verboten. Dies wurde nach Protesten wieder aufgehoben, die Hürden für die Genehmigung neuer Schulen sind aber nach wie vor hoch. Das Kultusministerium fordert mindestens 130 Schüleranmeldungen pro Jahrgang. Nun soll der Zwang zum Abi nach zwölf Jahren folgen.
Die Verbände wollen weiter kämpfen. "Die Diskussion wird bleiben. Da tut sich noch was", sagte GEW-Landeschef Brandt.
Carsten Lappe, dpa
Quelle: ntv.de