Bahn an die Börse Unendliche Geschichte
29.03.2007, 13:16 UhrLange mag er nicht mehr warten. "2008 können, wollen und müssen wir am Zielbahnhof Kapitalmarkt sein", sagt Bahnchef Hartmut Mehdorn. Mehr Eigenkapital sei für die Deutsche Bahn "geradezu lebensnotwendig" und die Voraussetzungen denkbar günstig. Bei Vorlage der Bilanz 2006 am Donnerstag in Berlin hört sich Mehdorns Lagebeschreibung wie im Vorjahr an: "Bestes Ergebnis in der Geschichte der Bahn": Höchster Umsatz, größter Gewinn und profitabler denn je.
Doch der Manager drängt jetzt intensiver auf eine Entscheidung des Bundestages pro Börsengang. "Das Zeitfenster für einen nachhaltigen Wachstumspfad der DB AG ist denkbar günstig", sagt Mehdorn und Skepsis schwingt mit, wenn er sagt: "Wir glauben, dass bis zum Herbst das Gesetz verabschiedet sein kann." Der Börsengang sei im zweiten Quartal 2008 "realistisch und machbar". Tatsächlich gibt es bis heute lediglich eine Grundsatzvereinbarung der großen Koalition. Ein zwischen den Ministerien abgestimmter Gesetzentwurf der Bundesregierung lässt noch immer auf sich warten.
Als genügten die wirtschaftlichen Argumente nicht, trommelt Mehdorn nun auch für seine Bahn als Schrittmacher des Klimaschutzes. "Wirklich grüne Mobilität gibt es nur auf der Schiene." Sie sei "der mit Abstand effizienteste Verkehrsträger und drei- bis vier Mal klimafreundlicher als Straßen- und Luftverkehr". Seit 1990 habe die Bahn als einer der größten Energieverbraucher der Republik ihren Kohlendioxid-Ausstoß um 25 Prozent gesenkt und plane nochmals ein Minus von 20 Prozent bis zum Jahr 2020.
Umweltverbände, die Globalisierungskritiker von Attac und die Gewerkschaft ver.di, vereint im Bündnis "Bahn für Alle", halten das für Augenwischerei. Vor dem Berliner Hotel, in dem Mehdorn und Finanzvorstand Diethelm Sack die Zahlen präsentieren, demonstrieren einige ihrer Mitglieder gegen den Börsengang. Ihre Gegenrechnung: Das Ziel der Bahnreform von 1994, den Anteil der Schiene am Gütertransport zu erhöhen, sei verfehlt worden. "Immer mehr Lkw brettern über Deutschlands Straßen." Und ziehe man die Zuschüsse des Staates für Schienennetz und Nahverkehr ab, so werde "aus dem angeblich dicken Plus 2006 ein dickes Minus", sagt Jürgen Mumme von Robin Wood. In Vorbereitung der Teilprivatisierung sei zudem das Schienennetz vernachlässigt worden.
Mehdorn weist diesen Vorwurf strikt zurück. Auf einem maroden Netz wäre es wohl kaum möglich gewesen, im Personen- und Güterverkehr 2006 neue Bestmarken zu erreichen, sagt er. Der Bahnchef will den Konzern zu einem Gewinner der Globalisierung machen und von den weltweit wachsenden Warenströmen profitieren lassen. Deshalb soll das Logistikgeschäft, das schon jetzt 57 Prozent des Umsatzes ausmacht, mit dem Geld von Aktionären ausgebaut werden.
Die Chancen, dass der 64 Jahre alte Mehdorn die Erstnotierung der Bahn AG noch als Konzernchef auf dem Frankfurter Bösenparkett erlebt, stehen nicht schlecht. Kürzlich sickerte durch, dass sein Vertrag, der im Mai 2008 ausläuft, um zwei Jahre verlängert werden soll. Am Donnerstag sagte Mehdorn nur, das Thema sei Sache des Aufsichtsrats, aber: "Ich bin gespannt, was dabei raus kommt." Nach der nächsten Sitzung des Kontrollgremiums am 27. Juni dürfte klar sein, ob es für ihn heißt: Rente erst mit 67.
(Bernd Röder, dpa)
Quelle: ntv.de