Airbus übernimmt Startbahn Unmut in Hamburg
16.07.2007, 11:43 UhrWirtschaftsförderung oder Naturzerstörung - kaum ein Industrieprojekt in Hamburg ist so umstritten wie der Ausbau der Airbus-Startbahn im Stadtteil Finkenwerder. Jetzt wurde die Verlängerung offiziell übergeben. Dies setzt zugleich ein Endpunkt im jahrelangen juristischen und politischen Tauziehen um 589 Meter Betonpiste.
"Im April 2002 hatte die Beigeladene Bedarf an einer weiteren Start- und Landebahnverlängerung angemeldet, weil die Frachtversion des Airbus A380 diese benötige", heißt es unter anderem in nüchternem Juristendeutsch in einem Beschluss des Hamburger Verwaltungsgerichts. Der Streit selbst ist wesentlich komplexer. Es geht um Zukunftsperspektiven des Airbus-Standortes Hamburg - aber auch darum, jahrhundertealte Kulturlandschaft mit Obstanbau und traditionellen Bauerndörfern zu erhalten.
Das A380-Frachterprogramm liegt inzwischen auf Eis - in Hamburg- Finkenwerder sind Tatsachen in Beton gegossen. Die Piste ist jetzt 3273 Meter lang. Das entspricht dem Ausbaustand an vielen internationalen Verkehrsflughäfen - und vor allem am Flughafen des Airbus-Standortes Toulouse.
Den Startbahnausbau in Finkenwerder sieht Wirtschaftssenator Gunnar Uldall als zukunftsweisende Standortpolitik. "Wir haben damit in Hamburg viele Tausend neue Arbeitsplätze in der Luftfahrtindustrie geschaffen", sagte der Senator. Weder der weiche Baugrund, noch die 240 juristischen Verfahren hätten das Projekt stoppen können. "Wir haben alle Prozesse gewonnen", sagte Uldall.
Die Argumentation von Airbus war von Anfang an umstritten. Das beginnt beim technischen Hintergrund: Für Fluggesellschaften ist ein Jet interessant, wenn die Startstrecke vergleichsweise kurz ist. Dann kann das Flugzeug entweder kleinere Plätze anfliegen oder mehr Ladung mitnehmen. So rechnet Airbus den Kunden zum Beispiel die Vorteile der A380 gegenüber dem Konkurrenzprodukt Boeing 747 vor. Schwieriger Spagat: Im Gegenzug argumentierte das Unternehmen aber formaljuristisch mit der langen Startstrecke für den Frachter beim Ausbau in Finkenwerder.
Mit Demonstrationen und juristischen Mitteln versuchten Gegner des Startbahnprojektes im Obstbaugebiet südlich der Elbe den Ausbau zu stoppen. Sie führten die Zerstörung einer historischen Kulturlandschaft und massive Eingriffe in die Natur an. Der Streit eskalierte im Herbst 2004, als es um Grundstücksverkäufe für den Ausbau ging. Bürgermeister Ole von Beust setzte sich persönlich mit Dorfbewohnern an einen Tisch. Ein "schlauer Bauer", der damals seine Flächen verkaufte, hatte tagelang die Medienpräsenz eines Showstars.
Beim Streit um die Werkserweiterung gibt es aber keine Schwarz- Weiß-Lösungen: Mit der längeren Startbahn hat Airbus in Hamburg seine Infrastruktur gestärkt, sollten zum Beispiel eines Tages längere und noch schwerere A380-Versionen auf den Markt kommen. Wie lang die Startstrecke sein muss, entscheiden internationale Sicherheitsvorschriften. Hier haben Flugzeugbauer und -betreiber keinen Spielraum.
Außerdem hat Finkenwerder jetzt die gleiche Infrastruktur wie Toulouse - und damit schlagkräftige Argumente für die Auseinandersetzung um künftige Arbeitspakete. Bei Großbauteilen wie für die A380 ist Hamburg aus rein logistischer Sicht im Vorteil: Diese können bequem vom Hochseeschiff abgeladen werden - in Frankreich führt der Weg mühsam per Flussbarkasse und Schwertransport nach Toulouse.
Trotz aller Krisen bei Airbus sichert die Luftfahrtindustrie in Hamburg inzwischen mehr als 35 000 Arbeitsplätze. Die Region ist Forschungsstandort auf Weltniveau, Heimat diverser Zulieferer und hat mit Lufthansa Technik einen der größten Anbieter für Flugzeugwartung.
Andererseits ist das Alte Land südlich der Elbe eine Kulturlandschaft mit jahrhundertealter Tradition zum Beispiel im Obstanbau. Durch den Airbus-Flugbetrieb entsteht aber kein Großflughafen mit zahlreichen Starts und Landungen. Die Zahl der Flugbewegungen ist limitiert. Außerdem ist der Flughafen in Finkenwerder nur Airbus-Firmenflügen vorbehalten. Für Billigflieger gibt es keine Infrastruktur.
Von Heiko Stolzke, dpa
Quelle: ntv.de