Dossier

Was sagen die anderen VW wird normal

Die Weichen für die Zukunft des größten europäischen Autobauers sind gestellt: Der Europäische Gerichtshof hat geurteilt und das VW-Gesetz zum Schutz des Autobauers vor feindlichen Übernahmen gekippt. Der Weg für eine Mehrheitsbeteiligung von Porsche ist frei. Das Land Niedersachsen wird auf seine Sonderrechte bei VW verzichten müssen.

"Für den Volkswagen-Konzern beginnt eine neue Zeitrechnung", schreibt die "Stuttgarter Zeitung" und hält das Gesetz für überfällig: "Dass die Richter die Privilegien für staatliche Eigner wie das Land Niedersachsen sowie die Begrenzung der Stimmrechte auf maximal 20 Prozent des Kapitals gekippt haben, ist eigentlich nicht überraschend. Erstaunlicher ist eher, dass das VW-Gesetz fast 50 Jahre Bestand haben konnte."

"Unter dem starken Einfluss von SPD-Landesregierungen in Hannover und der mächtigen Betriebsräte wurden im VW-Konzern mehr Arbeitsplätze erhalten und kürzere Arbeitszeiten eingeführt, als es der Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens in schlechten Zeiten gutgetan hat," urteilen die "Lübecker Nachrichten". Das Blatt steht dem "Porsche-Pragmatismus" positiv gegenüber und hofft auf die richtungsweisende Bedeutung des Urteils der Luxemburger Richter: "Es zeigt Grenzen auf für die Überlegungen in der Bundesregierung, den Einstieg von internationalen Finanzinvestoren in deutsche Schlüsselunternehmen zu verhindern oder zumindest zu erschweren."

Auch die "Neue Presse" aus Hannover begrüßt die Entwicklungen: "In den vergangenen Jahrzehnten hat sich das Land im VW-Aufsichtsrat machtvoll positionieren können, natürlich auch im Interesse niedersächsischer Jobs. Doch Fakt ist: Bis vor Kurzem war die Produktivität bei VW im Vergleich zur Konkurrenz mies, der Gewinn niedrig, die Modellpalette öde. Das hat sich geändert. VW steht heute besser da als vor zwei Jahren: Produktivität und Gewinn sind gestiegen, der Aktienkurs hat sich verfünffacht. Das ist keinesfalls allein den Stuttgartern zuzuschreiben doch sie garantieren, dass auch in Zukunft Produktivität und Gewinn verbessert werden sollen."

Das "Handelsblatt" aus Düsseldorf verweist auf staatliche Kontrolle in anderen "schutzwürdigen Industrien" und bedauert, dass aus dem VW-Gesetz keine Lehren gezogen wurden: "Es bewahrte Volkswagen nicht vor der Fastpleite. Und es half VW auch nicht in den Olymp der weltweit erfolgreichsten Autokonzerne. VW ist nur Mittelmaß. Erst unter Porsches Regie wird sich das radikal ändern. Den Verfechtern goldener Aktien und anderer Instrumente sollte dies eine Warnung sein. Auch die Deutsche Telekom, der Airbus-Konzern EADS oder die europäischen Energieversorger bleiben Durchschnitt im Weltmaßstab, wenn staatliche Aufseher ihnen den Antrieb für Innovation und Rentabilität nehmen. Mit dem VW-Gesetz ist eine Bastion der Protektionisten gefallen, aber beileibe nicht die letzte."

Mit dem Verweis auf demokratische Grundrechte argumentiert die "Schwäbische Zeitung" aus Leutkirch: "Wer Eigentum erwirbt, sollte auch so frei wie möglich darüber verfügen können. Diesem Grundsatz, der in allen demokratischen Ländern als unumstritten gilt, sind die Luxemburger Richter mit ihrem Aus für das VW-Gesetz gefolgt. Die Aufregung ist politisches Schauspiel, denn nur schwer lassen sich ernsthaft Argumente für ein Gesetz finden, das dem Mehrheitseigentümer einer Aktiengesellschaft verbietet, seine Rechte wahrzunehmen."

Die "Kieler Nachrichten" reagieren gelassen auf das Urteil: "Heute könnte sich auch ein noch so warm in staatliche Watte gepacktes Unternehmen dem Einfluss der Globalisierung und den Regeln des Weltmarktes nicht mehr entziehen. Auch öffentliche Eigentümer müssten schmerzhafte und unpopuläre Eingriffe wie Massenentlassungen und Werksschließungen vornehmen, wenn es darum ginge, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Doch dies sind zurzeit glücklicherweise lediglich theoretische Gedankenspiele. VW liegt stabil im Markt und verdient gutes Geld."

Auch der "Tagesspiegel" aus Berlin bremst die Aufbruchstimmung: "Diejenigen, die frohlocken, VW werde als Porsche-Tochter gewissermaßen über Nacht schlanker, schneller und rentabler, jubeln zu früh. VW wird seine politische Dimension behalten, weil der Konzern mit mehr als 100 Milliarden Euro Umsatz und 320.000 Mitarbeitern viel zu groß ist, um sich nur noch mit sich selbst beschäftigen zu können."

Aus Sicht des "Nordbayerische Kurier" hat sich "Piech zur Kühlerfigur der Konzerneigentümer emporgeschwungen": "Der Tag, an dem der Europäische Gerichtshof das VW-Gesetz gekippt hat, ist ein Tag des Triumphes für Ferdinand Piech. Jetzt kann Porsche seine PS auf die Straße bringen, bei VW das Steuer in die Hand nehmen und den bis vor Kurzem noch staatsgelenkten Konzern zum Familienunternehmen machen. Der David schluckt den Goliath, was wieder einmal beweist, dass Größe nicht alles ist."

Quelle: ntv.de

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