Trennung nach 300 Jahren? Viele Schotten hoffen auf Abspaltung
02.05.2007, 15:38 UhrDer Mann, der einst James Bond spielte, wird an diesem Donnerstag kräftig die Daumen drücken: "Stoßen wir die Tür auf zu einer neuen Ära", rief Sean Connery (76) seinen schottischen Landsleuten in Werbespots zu. Hinter der Tür verbirgt sich die Unabhängigkeit Schottlands. Dieses Ziel verfolgt die Schottische Nationalpartei (SNP), die der Hollywoodstar seit langem fördert. An diesem Donnerstag dürfte die SNP erstmals aus schottischen Parlamentswahlen als stärkste politische Kraft hervorgehen. Droht dem Inselkönigreich nun die Spaltung?
Geht es nach dem SNP-Vorsitzenden Alex Salmond, lautet die Antwort "Ja": "Nach unserem Sieg können alle Schotten ihr Recht wahrnehmen, in einem Referendum für die Freiheit zu stimmen", versprach der 52-Jährige den Wählern. Die SNP hat der Volkswirt in den letzten Jahren von einem folkloristisch anmutenden Patriotenverein in eine effektiv arbeitende moderne Partei umgewandelt. Auch daran liegt es, dass von Edinburgh bis zu den Hebriden bei nicht wenigen der alte Schotten-Schwur wieder populär ist: "Niemals unter englischer Herrschaft".
Die Labour-Regierung in London hat die Aussicht aufgeschreckt, im Parlament in Edinburgh die Spitzenposition zu verlieren. So kräftig, dass Premierminister Tony Blair und sein designierter Nachfolger, der aus Schottland stammende Schatzkanzler Gordon Brown, vor einer "Balkanisierung Großbritanniens" warnten. Sollte die SNP zum Zuge kommen, will sie die vor 300 Jahren vom damaligen schottischen Parlament unter Druck aus London gebilligte Unionsvereinbarung mit England auf den Prüfstand legen.
Durch den "Act of Union" war 1707 das Königreich Großbritannien entstanden. "Jetzt gibt es endlich wieder die Chance auf einen unabhängigen Staat wie ihn auch andere freie Nationen haben", sagt Angus Robertson, Wahlkampfleiter der SNP und "der künftige Außenminister Schottlands". Doch die Siegesgewissheit der Nationalisten hat Dämpfer bekommen. Als Großbritannien am 16. Januar den Jahrestag des "Act of Union" eher verhalten beging, wünschten sich bei Umfragen noch 52 Prozent der Schotten einen eigenen Staat. In einer Befragung am Vorabend der Wahlen erklärten aber nur 38 Prozent, sie würden im Falle eines Referendums tatsächlich für die Unabhängigkeit Schottlands votieren.
Beobachter sehen darin einen Erfolg der Wahlkampfbemühungen des Teams Blair & Brown, den Schotten die Nachteile einer Abspaltung klar zu machen. "Die Partnerschaft hat Schottland und England Wohlstand, Stabilität und einen erstaunlichen Einfluss in der Welt gebracht", redete Blair den Schotten ins Gewissen. "Wenn die Union zerbricht, werden wir alle die Verlierer sein."
Die rund fünf Millionen Einwohner Schottlands machen zwar nur 8,5 Prozent der Gesamtbevölkerung Großbritanniens aus, doch ihr Austritt aus der Union wäre eine Sensation. Die Sezessionisten in Wales, wo fünf Prozent der Bevölkerung leben, könnten dadurch Auftrieb erhalten.
Die Geister, die Labour jetzt fürchtet, hatten Blair und Brown allerdings selbst mit herbeigerufen. Als sie Wählerstimmen brauchten, um 1997 Labour endlich wieder in London an die Macht zu bringen, versprachen sie den Schotten ein neues eigenes Parlament - fast drei Jahrhunderte nach der Auflösung des alten. 1999 nahm es gegenüber vom Palast der Queen in Edinburgh die Arbeit auf - damals noch fest unter Kontrolle der Labour-Partei.
Diesmal sagen Meinungsumfragen der SNP mindestens 34 Prozent voraus, während Labour auf höchstens 32 Prozent kommen soll. Ein unabhängiges Schottland, so argumentierte Salmond im Wahlkampf, würde ebenso aufblühen wie das EU-Wunderland Irland. Anreize für internationale Investitionen, Erdöl aus Schottland und Fördergelder der EU würden dafür sorgen. Ohne Milliardensubventionen aus englischen Steuergeldern, hielten Blair und Brown dagegen, wäre ein schottischer Staat in absehbarer Zeit "wirtschaftlich tot".
(Thomas Burmeister, dpa)
Quelle: ntv.de